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«Hagrid» Robbie Coltrane ist tot
Ein ganzer Riese, kein halber

Robbie Coltrane bei der Premiere des letzten Harry-Potter-Films «Harry Potter und die Heiligtümer des Todes: Teil 2» im Juli 2011.

Unter den stundenlangen Atmosphärenvideos mit besänftigender Geräuschkulisse, die das Videoportal Youtube für gestresste Menschen zum Abschalten vorhält – Hütten im Regen, Hütten am Strand, Hütten am Strand im Regen – gibt es gleich mehrere, die so klingen, wie es in «Hagrids Hütte» klingen soll, dem runden Steinhäuschen des Halbriesen und Wildhüters von Hogwarts. Es ist Nacht, die Grillen zirpen und in algorithmisch regelmässigen Abständen ruft ein Uhu durchs Dunkel. Wo Hagrid ist, da ist es gemütlich.

Ein bisschen bedrohlich auch, allein schon durch die schiere Gestalt dieses Bergs von einem Mann, des Wildhüters von Hogwarts, den man als Zauberschul-Neuling nicht ohne Furcht zum ersten Mal besuchen ging. Aber doch ein Ort der Zuflucht, der Sicherheit. Hagrid war die grummelig-kuschelige Vaterfigur für Harry – und mit ihm für Millionen seiner Fans.

Dass es manchmal wirklich so gemütlich war, in der Kulisse am Set der Harry-Potter-Filme, hat Daniel Radcliffe bestätigt, in einem Statement, nur wenige Stunden nachdem die Nachricht vom Tod Robbie Coltranes durch die Welt gegangen war. «Ich erinnere mich am liebsten daran», schreibt der Schauspieler, der damals, noch als Kind, den Harry spielte, «wie er uns bei Laune hielt, als wir uns beim Dreh von ‹Der Gefangene von Askaban› stundenlang vor strömendem Regen in Hagrids Hütte versteckt haben. Er hat Witze und Geschichten erzählt, damit die Stimmung nicht kippte.» Coltrane sei einer der witzigsten Menschen, die er je kennengelernt habe, sagt Radcliffe.

Bei der Premiere von «Der Gefangene von Askaban» im Mai 2004: Robbie Coltrane mit Daniel Radcliff, Rupert Grint, Emma Watson und dem ebenfalls bereits verstorbenen Alan Rickman in New York.

Dieser Witz kam nicht von ungefähr. Robbie Coltrane gehörte seit den Achtzigerjahren zu der alternativen Komikerszene in London, aus der zum Beispiel auch Emma Thompson kam, mit der er in der Serie «Tutti Frutti» auftrat. Coltrane spielte in Komödien wie «Supergrass – Unser Mann in Scotland Yard» und «Ein Papst zum Küssen» mit und stand auf Comedy- wie Theaterbühnen.

Eigentlich hatte er Maler werden wollen, studierte in den späten Siebzigerjahren an der renommierten Glasgow School of Art. Aber schliesslich ahnte er, dass seine grössere Begabung im Performativen lag. Damals nahm er «Coltrane» als Künstlernamen an, aus Verehrung für den Jazzmusiker John Coltrane. In dieselbe Zeit fiel seine Alkoholabhängigkeit, zeitweise trank er eine Flasche Whiskey am Tag, seine erste Ehe ging in die Brüche, er musste sich gegen Fettleibigkeit behandeln lassen. Ende der Achtziger aber kam mit seiner zweiten Frau und den zwei Kindern etwas Ruhe in Coltranes Privatleben.

Coltrane war ein Kind aus besseren Kreisen und ging auf ein feines Internat

Robbie Coltrane, der sich, vielleicht wegen seiner Herkunft aus der schottischen Industriestadt Glasgow, immer mit der gewissen Raubeinigkeit identifizierte, die mit harter Arbeit einhergehen kann, war eigentlich ein Kind aus den besseren Kreisen. Als Sohn eines Arztes und einer Lehrerin wurde er 1950 als Anthony Robert McMillan in Rutherglen geboren, einem der besseren Vororte Glasgows. Seine Eltern schickten ihn aufs Internat Glenalmond College, das schottische «Eton», wo die Schüler noch geschlagen wurden. Robbie wurde dort zum Rebellen. Später, als man ihn wegen seiner linken Haltungen schon «Red Robbie» nannte, forderte er die Abschaffung von Privatschulen.

Als Joanne K. Rowling anfing, über die Besetzung ihrer Buchfiguren nachzudenken, war Robbie Coltrane ihr Wunschdarsteller für den grummeligen, aber herzensguten Halbriesen Hagrid. Mit seinen 1,85 Metern und der massigen Gestalt war er schon körperlich perfekt für die Rolle. Coltrane war damals, in den Nullerjahren, bereits sehr bekannt in Grossbritannien – er spielte seit 1993 die Hauptrolle in der Fernsehserie «Cracker», einen Kriminalpsychologen, der genial im Job ist, aber hilflos im Privatleben – ein Vorbild nicht nur für die Schwemme an «gebrochenen» Polizisten-Figuren, die in den folgenden Jahrzehnten das Krimifach bestimmten und es bis heute tun. Aber es war die Rolle des Hagrid, die Coltrane weltberühmt machte.

Einen Ausflug in die grossen Franchises des internationalen Kinos hatte er schon vorher gemacht: In den James-Bond-Filmen «Golden Eye» und «Die Welt ist nicht genug» spielte er Valentin Zukowski, einen früheren KGB-Spion, der zum Gangster geworden war.

Robbie Coltrone als Valentin Zukowski.

In den letzten Jahren vor seinem Tod war vor allem seine Rolle in «National Treasure» bemerkenswert, einer Mini-Serie über einen Komiker und Gameshow-Moderator, der seinen Job verliert, als er beschuldigt wird, vor vielen Jahren die Babysitterin seiner Tochter vergewaltigt zu haben. Die Serie wurde 2016 zum ersten Mal ausgestrahlt, aber Coltrane nahm mit der Rolle des fetten, humpelnden alten Mannes, der die Welt nicht mehr versteht, auf beinahe unheimliche Weise den Skandal um den Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein vorweg.

Weniger Hagrid war schwer möglich, Robbie Coltrane liess sich nie auf eine Art Rolle festlegen, nicht auf die komischen und nicht auf die bedrohlichen. Die Konsequenzen seiner Rolle des Hagrid aber, die nahm er an. In einem Interview mit dem Guardian sagte er: «Die Kinder kommen auf dich zu und sagen ‹Würden Sie mein Buch signieren?› mit ihren grossen Augen. Das ist eine grosse Verantwortung.» Am 14. Oktober ist Robbie Coltrane im Alter von 72 Jahren im schottischen Larbert gestorben.