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Repression in Weissrussland
«Eigentlich sollte ich heute Champagner trinken»

«Alles hat einmal ein Ende»: Die politische Gefangene Sofia Sapega. Hier ein Screenshot ihres erzwungenen Videoauftritts im Gefängnis.
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Ihre Mutter sagt, Sofia Sapega habe sich im falschen Moment am falschen Ort aufgehalten.

Dieser Moment war Sonntag, der 23. Mai um 12.46 Uhr. Und der Ort war ein Sitz im Ryanair-Flug 4978, neben ihrem Freund, dem Journalisten Roman Protassewitsch.

Um den Regimekritiker zu verhaften, liess der weissrussische Diktator Alexander Lukaschenko das Flugzeug, das sich bereits im Landeanflug auf seinen Zielort Vilnius befand, auf den Flughafen der weissrussischen Hauptstadt Minsk umlenken. Dort wurden der 26-jährige Protassewitsch und seine um drei Jahre jüngere Partnerin Sapega verhaftet.

Freude an kleinen Dingen

Nun durfte die junge Frau, die in der litauischen Hauptstadt Vilnius Jura studiert, erstmals einen Brief aus dem Gefängnis schreiben. Ihre Mutter Anna Dudich hat ihn der britischen BBC gezeigt. Es ist ein anrührendes Dokument, geprägt von Sapegas Versuch, ihre Familie zu beruhigen und gleichzeitig zu schildern, in welch verzweifelter Lage sie sich befindet.

«Alles hat ein Ende, auch dieses Unglück», schreibt Sapega. Sie bittet ihre Familie, Protassewitsch nicht dafür mitverantwortlich zu machen, dass sie im Gefängnis sitze. Sie schildert, wie sie die Glockenschläge einer nahen Kirche zählt, um die Uhrzeit zu wissen. Ihre Armbanduhr habe man ihr weggenommen. Sie versichert ihrer Mutter, dass sie allmählich lerne, sich an «kleinen Dingen zu freuen», dem Vogelgesang vor ihrem Zellenfenster oder den Sonnenstrahlen.

Gegen die Panikattacken, die sie zu Beginn der Haft heimgesucht hätten, habe sie Medikamente bekommen.

«Ich verpasse gerade sehr viele Dinge in meinem Leben.»

Sofia Sapega

Sofia Sapega ist in Russland geboren und in Weissrussland aufgewachsen. Als russische Staatsbürgerin hat sie Anrecht auf konsularischen Schutz, doch weil sich die russische Regierung an die Seite des Luftpiraten Lukaschenko gestellt hat, ist das für sie und ihre Familie ein schwacher Trost.

Noch immer weiss ihre Mutter Anna Dudich nicht, welches Verbrechen Sapega überhaupt begangen haben soll. Auch ihr Anwalt darf nichts sagen – nur, dass seine Mandantin insgesamt zwei Monate in Untersuchungshaft bleibe und danach mit einem Prozess rechnen müsse.

Schreckliche Ungewissheit

«Die Ungewissheit ist das Schrecklichste», sagt Dudich gegenüber der BBC. Von diesem Brief abgesehen, erhalte sie keinerlei Informationen, wie es ihrer Tochter im Gefängnis gehe. Sapega sei politisch nicht aktiv gewesen und habe auch nicht an Demonstrationen gegen das Regime teilgenommen – schon deshalb nicht, weil sie in Litauen studiert habe.

Sofia Sapega mit ihrer Mutter Anna Dudich.

In einem Video, das die weissrussischen Behörden zwei Tage nach der Festnahme der Studentin verbreiteten, legte Sapega ein Geständnis ab. Sie habe auf dem Messenger-Dienst Telegram persönliche Daten von weissrussischen Offiziellen veröffentlicht. Aber der Auftritt wirkt unnatürlich und erzwungen; es ist offensichtlich, dass Sapega einen auswendig gelernten Text herunterrasselt, um die Pein möglichst schnell hinter sich zu bringen.

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In ihrem Brief an die Familie schreibt die politische Gefangene auch: «Heute ist der Tag, an dem ich morgens an der Universität meine Masterarbeit verteidigen und am Abend mit Roman in einem Restaurant Champagner trinken und Pasta essen sollte – den Sommer geniessen, küssen, lieben.»

Nun sei alles anders gekommen, sie esse Kekse in ihrer Zelle und trinke Tee. Es sei bitter, daran zu denken, fährt Sapega fort – aber sie verpasse gerade sehr viele Dinge in ihrem Leben.