Ungebremst in die KriseKloten gibt ein wirres Bild ab
Sechs Niederlagen in Folge, ein Torverhältnis von 2:22 – die Zürcher taumeln unter dem neuen Trainer Stephan Mair dem Abstiegskampf entgegen. Und der Club wirft Fragen auf.
Wer Stephan Mair holt, bekommt auch Stephan Mair. Der Südtiroler gilt nicht nur als akribischer Arbeiter, der sich nach jeder Partie sämtliche Einsätze seiner Spieler noch einmal auf Video anschaut und dafür rund fünf Stunden benötigt, er ist auch für sein aufbrausendes Temperament bekannt. «Er kann einen Ton anschlagen, der unüblich oder oldschool ist», sagte Michael Loosli nach Mairs Amtsübernahme Ende Januar.
Der Stürmer muss es wissen, schliesslich spielte er bereits bei Thurgau unter dem heute 56-Jährigen. «Ob Stürmer, Verteidiger, Captain, Torhüter oder Ausländer – jeder wurde schon zurechtgewiesen.» Trotzdem freute sich Loosli: «Stephan tut uns gut. Ich hatte den Eindruck, dass es uns an der Struktur, der Energie und den klaren Anweisungen fehlte.» Gefunden aber haben sich Kloten und Mair bislang nicht.
Aus sieben Partien resultierten sechs Niederlagen – bei einem Torverhältnis von 5:24. Viermal mussten sich die Zürcher Unterländer ohne eigenen Torerfolg geschlagen geben. Es dürfte nicht nur am hohen Fieber gelegen haben, dass Jan Schibli beim 0:5 gegen Lausanne bereits nach dem zweiten Drittel den Nachhauseweg antrat. Dem Vernehmen nach soll der Präsident Zweifel am Trainer geäussert haben. Später bezeichnete er die Leistung seines Teams als «katastrophal».
Mair, der zuvor Ambris Elite-Junioren gecoacht hatte, erfuhr schon beim Amtsantritt nicht den vollen Rückhalt. Geschäftsführer Anjo Urner verhehlte im Gespräch mit dieser Redaktion nicht, dass der Club mit Blick auf die kommende Spielzeit weiterhin Ausschau nach potenziellen Trainern halte. Urner: «Wir sind realistisch genug und wissen, dass Optionen entstehen werden, die aktuell noch gar keine sind. Wir verfügen über ein klares Profil. Mair erfüllt einige dieser Punkte. Er hat nun die Chance, sich live beweisen zu können.»
Das Onlineportal «Watson» verwies auf die fatale Nebenwirkung solcher Aussagen und spottete: «Was denkt eine Ehefrau, wenn ihr künftiger Gatte vor der Hochzeit erklärt: ‹Ich verhehle nicht, dass ich mit Blick auf die Zukunft weiter Ausschau nach potenziellen heiratsfähigen Frauen halte. Ich bin realistisch genug und weiss, dass Optionen entstehen werden, die aktuell noch gar keine sind. Sie hat nun die Chance, sich live beweisen zu können.›»
Mangelhafte Sozialkompetenz?
Es passt in das wirre Bild, das der Club abgibt. Im November wurde Gerry Fleming mit der Begründung, «ein Zeichen setzen zu wollen», entlassen. Als das Team unter Interimscoach und Sportchef Larry Mitchell acht Niederlagen in Serie bezog, reagierte die Clubführung nicht. Nach vier Siegen in Folge aber wurde ihm Mair vor die Nase gesetzt. In die Diskussionen einbezogen wurde Mitchell erst kurz vor Vertragsabschluss. Er sprach sich gegen die Personalie aus. Es bedarf keiner prophetischen Fähigkeiten, um zu erahnen, dass die Zusammenarbeit herausfordernd sein dürfte. Anstelle eines weiteren Trainers hätten sich die Spieler einen ausländischen Verteidiger gewünscht.
«Wir werfen nicht aufgrund von vier Siegen unsere Strategie über den Haufen», wehrt sich Präsident Schibli. «Der Trainerwechsel bahnte sich schon lange an. Die Verhandlungen mit Ambri zogen sich hin. Zudem war auch Larry Mitchell der Ansicht, dass ein Doppelmandat nicht funktioniere.»
Unter Mair holt Kloten im Schnitt 0,57 Punkte pro Spiel, das sind nicht einmal halb so viele wie mit Mitchell (1,21). Selbst unter Fleming war der EHC erfolgreicher (0,91). In der entscheidenden Phase der Saison verpflichtete Kloten einen Coach, der eine andere Spielphilosophie verfolgt als seine Vorgänger. Die Zeit für Anpassungen ist knapp. Hinzu kommt Mairs impulsive Art.
Einige sprechen von mangelnder Sozialkompetenz. Andere behaupten, in Kloten stehe es mit der Leistungskultur nicht zum Besten. Auffällig war, dass der blasse Miro Aaltonen (erst 9 Tore) nach einer 0:5-Klatsche in Biel lachend die Best-Player-Wahl abwartete. Ein andermal sah man Spieler, die ihre Teamkollegen zurechtwiesen. Es sind Szenen, die zeigen, dass etwas nicht stimmt.
Zuletzt sollen diverse Gespräche zwischen Clubverantwortlichen, Trainern und Spielern stattgefunden haben. Ein Hoffnungsschimmer: Am Samstag rang Kloten Lugano einen Punkt ab. Schibli betont: «Ich bin absolut überzeugt, dass Stephan Mair der richtige Trainer ist in dieser Situation.»
Mitchell kehrt nicht zurück
Drei Runden vor Ende der Qualifikation steht der EHC als Teilnehmer am Playout fest. Wenn eines er beiden einzigen Teams mit Aufstiegsambitionen, Olten und Visp, den Swiss-League-Final erreichen, wird Kloten gegen den Letzten der National League, Ajoie, antreten müssen. Sollte Olten oder Visp die B-Meisterschaft gewinnen, könnte es schliesslich in einer Liga-Qualifikation zum Showdown kommen. «Es darf nicht sein, dass wir absteigen. Die Mannschaft ist zu gut besetzt», sagt Schibli. Doch das war sie auch beim letzten Abstieg 2018.
Klar ist: Sollten alle Stricke reissen, soll Mitchell nicht noch einmal übernehmen. «Ich glaube nicht, dass sich das positiv auf die Mannschaft auswirken würde», mutmasst der Präsident. «Unsere erfahrenen Kräfte, insbesondere die Ausländer, waren zuletzt keine Unterstützung. Wir müssen nun gemeinsam einen Weg finden, um als verschworene Einheit den Abstiegskampf wahrzunehmen. Jetzt müssen die Leader hinstehen.»
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