Editorial zur 13. AHV-RenteAlle wollen mehr Geld
Ob Rentner, Bäuerinnen oder Militärs. Alle sehen den Staat als Milchkuh, die endlich auch für sie etwas abwerfen soll.

Für einmal hat Avenir Suisse recht. Wir sind auf dem Weg zur Gerontokratie, also jener Herrschaftsform, in der hauptsächlich Menschen hohen Alters das politische Handeln bestimmen. Während andere mit Joe Biden und Donald Trump greise Präsidenten haben, ist bei uns das Stimmvolk das Problem. Der Medianabstimmende ist in der Schweiz inzwischen rund 60 Jahre alt. Das ist deutlich älter als der Durchschnitt der Bevölkerung und auch deutlich älter als die Stimmbevölkerung an sich. Das liegt daran, dass die Zugewanderten nicht stimmen dürfen und die Jungen nicht stimmen wollen.

Das bedeutet unter anderem, dass sich die Altersvorsorge immer weniger reformieren lässt, also Rentensenkungen und Rentenalterserhöhungen immer weniger durchsetzbar sind, weil sie gegen die Interessen der Mehrheit verstossen. Wie man damit umgehen soll und ob das für das Schweizer Erfolgsmodell zur Bedrohung wird, das wird zum grossen Thema werden, nachdem die 13. AHV-Rente angenommen wurde. Und die Debatte wird weitergehen, wenn in wenigen Monaten die nächste Vorlage mit dem Referendum zur Pensionskassenreform auf den Tisch kommt.
Wenn nun also die Alten egoistisch abstimmen und ihnen das von den Jungen vorgeworfen wird, die grossmehrheitlich gegen den Ausbau der AHV sind, so mag das viele stören, aber wenigstens ist das ein demokratischer Vorgang, der sich nicht ändern lässt. Es sei denn, jemand will fordern, dass die Alten nicht mehr stimmen dürfen.

Nicht minder egoistisch und erst noch undemokratisch verhalten sich etwa in Deutschland die Piloten und Lokführerinnen, die das ganze Land lahmlegen, um zu mehr Lohn und Ferien zu kommen. Das nennt sich Erpressung. Gleiches haben die Bäuerinnen und Bauern entdeckt, die mit ihren Traktoren die Strassen sperren. Diese Form des Protests ist nun auch in der Schweiz angekommen und hat bereits erste Erfolge: Gepaart mit der Blockadedrohung haben die Bauern erreicht, dass der Milchpreis zwar nicht um vier Rappen, aber immerhin um drei Rappen steigt.
Bauernpräsident Markus Ritter hat natürlich sofort gemerkt, woher der Wind weht und hat flugs angekündigt, ab sofort härter zu verhandeln. Das gefällt natürlich der Basis, die einfach noch nicht gemerkt hat, dass dies nur den Grossbauern nützt und dass sich in der Schweiz längerfristig nicht noch höhere Lebensmittelpreise setzen lassen. Und wenn doch, dann ist irgendwann fertig mit den Direktzahlungen.
Am dreistesten ist aber das Theater, das uns Armeechef Thomas Süssli zusammen mit Viola Amherd vorführt. Da erklärt uns erst Süssli, der Armee gehe das Geld aus, und bald breche in seinem Laden alles zusammen. Dann sagt die Bundespräsidentin, die Generäle wüssten halt nicht, was das Wort Liquiditätsengpass bedeute, eigentlich gebe es gar kein Problem. Kurz darauf klagt Süssli im Fernsehen und in den CH-Media-Zeitungen wieder sein Leid und fordert neben mehr Geld gleich noch 20’000 zusätzliche Soldaten, weil sonst das Land nicht verteidigt werden kann.
Dass das in einem Land möglich ist, wo die Politik bestimmt, was die Armee zu tun hat, und nicht umgekehrt, ist der wohl erstaunlichste Vorgang in diesem Frühling, in dem alle mehr Geld wollen. Es scheint, als hätten wir nur noch die Wahl zwischen Gerontokratie, Bauernstaat oder Militärregierung. Da ist mir ehrlich gesagt die Gerontokratie noch fast am liebsten.
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