Editorial zum Gaza-KriegMacht endlich Frieden, nicht nur, weil jetzt Weihnachten ist
20’000 Tote sind genug. Israel droht den Krieg zu verlieren, auch wenn es militärisch viel stärker ist als die Palästinenser.
Der 7. Oktober 2023 war eine Zeitenwende im Nahen Osten. Die Terrormiliz Hamas tötete wahllos 1200 Menschen in Israel und nahm 240 Geiseln als Pfand mit in ihre Tunnels im Gazastreifen. Die Tat öffnete Millionen Menschen in Europa und den USA die Augen, und es kam zu einer beispiellosen Sympathiewelle für Israel.
Doch nun, zweieinhalb Monate später, beginnt sich das Blatt zu wenden. Bei Umfragen in Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Schweden, Dänemark und Spanien, welche die Plattform Yougov durchgeführt hat, gewinnt überall die palästinensische Seite Sympathie. Die Menschen in Spanien und Grossbritannien sympathisieren inzwischen mehrheitlich mit den Palästinensern, und viele halten sogar die Israelis für die grösseren Lügner als die Hamas. In den USA und auch in der Schweiz ist es inzwischen nicht viel anders. Und im Rest der Welt liegen die Sympathien sowieso nicht bei Israel.
Diesen Rest hat Israel bisher recht erfolgreich ignoriert, aber dass es jetzt selbst im Westen bei der Bevölkerung massiv an Unterstützung verliert, das muss dem Land zu denken geben. Auch, dass im UNO-Sicherheitsrat erstmals eine Resolution durchkommt, die israelkritisch ist. Ganz zu schweigen von der Anzahl Toten, die der Gaza-Krieg bisher forderte. Bald 20’000 sind es angeblich, noch viel mehr wurden verletzt und verkrüppelt. Eine halbe Million Menschen sind vom Hunger bedroht. Darunter viele Kinder, die nichts dafür können, dass sie zufällig in Gaza geboren sind.
Hinzu kommt, dass Israels Premierminister Benjamin Netanyahu im eigenen Land völlig diskreditiert ist und dafür verantwortlich gemacht wird, dass die Hamas den Überfall auf Israel überhaupt durchführen konnte. Er hält sich nur an der Macht, weil er die Frage der Verantwortlichkeiten auf die Zeit nach dem Krieg verschiebt. Darum hat er ein geringes Interesse an einem Waffenstillstand.
Das offizielle Kriegsziel, die Vernichtung der Hamas, erweist sich als Illusion. Da hilft es auch nicht viel, dass Israel nun immer mehr den Süden des Gazastreifens beschiesst, das Gebiet also, in das es die Menschen vom Norden vertrieben hat. Natürlich sind auch die Hamas-Terroristen dorthin geflohen, aber man kann sie nicht einfach zusammenbomben, wenn sie mitten unter den Zivilisten sind. Dass die Israelis den Hamas-Funktionär Hassan al-Atrash getötet haben, ist auch kein Propaganda-Erfolg. Die Meldung erinnert eher an den vor 2000 Jahren König Pyrrhus zugeschriebenen Ausspruch: «Noch ein solcher Sieg, und wir sind verloren.»
Darum ist es jetzt an der Zeit, dass die Amerikaner Israel Einhalt gebieten. Frieden, oder wenigstens ein Waffenstillstand, ist das Gebot der Stunde. Nicht nur, weil Weihnachten ist, sondern weil Israel sonst den Rückhalt bei den Verbündeten verliert. Man mag es nicht gerne hören, aber längerfristig ist der Staat ohne die Unterstützung der USA nicht überlebensfähig, auch 75 Jahre nach der Gründung nicht. Wie Frieden schliessen funktioniert, auch wenn es nicht einfach ist, das zeigen meine Kollegen in der eindrücklichen Geschichte «So enden Kriege».
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