Zehnkämpfer Simon Ehammer brilliertEben noch Junior, nun schon fast bester Schweizer je
Der 20-jährige Appenzeller bestreitet seinen zweiten Zehnkampf bei der Elite – und katapultiert sich mit 8029 Punkten in die Schweizer Spitze. Der Coup in 10 Stichworten.
Der zweite Tag tut weh. «Dann entscheidet der Kopf, und wenn du denkst, es tut weh, hast du schon verloren», sagt Simon Ehammer. Der zweite Tag des Zehnkampfs in Amriswil ist vorbei, und der 20-Jährige strahlt und sagt zu seinem Coup: «8029 Punkte, das ist pure Freude!» Und eine Steigerung um 294.
Ehammer ist das grösste Schweizer Mehrkampf-Talent in den letzten Jahrzehnten, mehr noch: Er ist auch ein herausragender Weitspringer und Hürdensprinter. Auch dadurch gewann er 2018 an der Junioren-WM Zehnkampf-Bronze, im letzten Jahr wurde er U-20-Europameister. Und eben noch Junior, kämpfte er sich nun zum ersten Achttausender, das haben vor ihm erst fünf Schweizer geschafft, der letzte 2003.
Während der Trainer von idealen Bedingungen sprach, fand es Ehammer «brutal warm». Galaleistungen bot er dennoch – so überquerte er mit dem Stab erstmals 4,90 m. Dass er bereits am Freitag beim Citius-Meeting in Bern wieder antritt, spricht für ihn – dann allerdings nur in seiner Spezialdisziplin.
Der Weitspringer: Zum dritten Mal über acht Meter
Es war weder die WM-Medaille noch der EM-Titel, die Ehammer in die Schlagzeilen katapultierte. Es war sein Satz auf 8,15 m im Weitsprung vor einem Monat in Schaffhausen – die zweitbeste Weite eines Schweizers. Er sprang weiter als Rolf Bernhard, der mit 8,14 m 22 Jahre lang Rekordhalter war. So lang, bis Julien Fivaz 2003 bei 8,27 m landete. Sie waren Spezialisten, Ehammer der Mehrkämpfer. Ein zweiter 8-Meter-Sprung (bei zu viel Rückenwind) lieferte die Betätigung und noch mehr Selbstvertrauen für Amriswil. Wo er wieder glänzte. «Der Sprung auf 8,11 m bei Windstille war das Beste, was er bisher zeigte», sagt Karl Wyler, einer seiner Trainer.
Der Selbstbewusste: «Ich habe einen starken Grind»
Ehammer weiss genau, was sein Talent neben dem Sportlichen ist. Es kommt wie aus der Pistole geschossen: «Meine Einstellung, mein Wille, ich habe einen starken Grind, ich erreiche das, was ich will.» Den Ehrgeiz habe er von seinen Eltern geerbt, dem Vater, der auch viel Sport getrieben habe, der Mutter, die es musikalisch weit gebracht hat. Sein Leben mache aber auch einfacher, «dass ich gut reden kann und kontaktfreudig bin. Und zu 95 Prozent bin ich gut gelaunt. Wenn ich einmal mit dem falschen Bein aufstehe, kann ich danach immer noch entscheiden, ob ich den Tag so verbringen will oder ob es trotzdem ein guter werden soll.»
Der Appenzeller: In der Sportlerschule gross geworden
Er wohnt in Stein im Ausserrhodischen, und als ihn vor zehn Jahren jemand fragte, ob er nicht von den Fussballern zu den Leichtathleten des TV Herisau wechseln wolle, machte er das. Dass er diesen vor zwei Jahren verliess, hat nichts mit der Qualität zu tun, sondern nur mit der Ausrichtung seines neuen Vereins, dem TV Teufen. Dieser lasse «sehr mehrkampforientiert» trainieren, sagt er. Und: Seit er 13 Jahre alt ist, profitiert er von der Sportlerschule Appenzellerland. Sie betreut Athleten gesamtheitlich, koordiniert zwischen Schule, Ausbildung, Sport, Familie und medizinischer Abteilung. Ehammer ist so auch zu seiner Lehrstelle im Detailhandel in der Sportbranche gekommen. Auch nach der Lehre ist er der Schule weiter verbunden.
Das Umfeld: Alle ziehen am gleichen Strick
Der Grund dafür ist einfach: René Wyler ist ihr Leiter und sein persönlicher Koordinator – wann wird was und wie lange trainiert? Dessen Bruder Karl ist der Vereinstrainer im TV Teufen, er begleitet Ehammer an die Wettkämpfe. «Das Gute ist, dass alle am gleichen Strick ziehen», sagt der Athlet zur Trainergruppe, zu der auch Yves Zellweger, der einstige Weitspringer, und einige mehr gehören.
Die Stärken: Schnellkräftig wie die Besten
Die grösste liegt in seinen Genen: Ehammer ist ein sehr schnellkräftiger Athlet, was sich am eindrücklichsten in seinen Weitsprung- und Hürdenleistungen zeigt. Für einen Zehnkämpfer ist er relativ fein gebaut – was kein Vorteil für die Wurfdisziplinen ist. Aber Ehammer sagt: «Im Sprint und Weitsprung bin ich jetzt auf einem Niveau, dass ich das Training ein wenig zurückstellen und mich auf die Würfe konzentrieren kann.» Da sei noch viel Potenzial, «schliesslich will ich nicht als Weitspringer abgestempelt werden».
Der Schlüssel: Flow und Lockerheit
«Dass ich immer von hinten kam, war entscheidend.» Er war zwar in den Einzeldisziplinen «gut, aber es gab immer einen, der noch stärker war, und das hat mein Grind nicht zugelassen». Dieser Kampf sei sicher kein Nachteil gewesen. Wenn er etwas zu seinen Weitsprüngen sagen soll, tut er es zuerst nüchtern: «Ich habe mein Ziel erreicht.» Um dann das nachzuschieben, was ihn speziell macht: «Andere orientieren sich am Realistischen. Ich orientierte mich an den acht Metern, als ich die sieben gesprungen war.» Der Schlüsselmoment in seiner noch jungen Karriere war aber die U-20-WM 2018. Dort habe er den Flow erlebt, «wenn ich so locker starte wie dort, dann geht es».
Die Olympiapläne: 2021 und 2024 im Kopf
Dass die Spiele auf 2021 verschoben wurden, kommt Ehammer entgegen. So könne er versuchen, sich im Weitsprung (8,22 m) oder im Zehnkampf (8350 Punkte) zu qualifizieren. «Die Spiele 2021 wären zum Erfahrungen sammeln, in jenen von 2024 ginge es dann wirklich um die Leistung», blickt er voraus.
Die Vorbilder: Mayer und der motivierende Weg
Ehammer orientiert sich nicht an den besten Schweizer Zehnkämpfern, er tut es an den Weltbesten, an Ashton Eaton, dem US-Weltrekordhalter von 2012 bis 2018, und «natürlich an Kévin Mayer, ihn muss man ja als Vorbild haben», sagt er. Der Franzose ist seit zwei Jahren Weltrekordhalter mit 9126 Punkten. «Wie er sich in den letzten Jahren steigerte, das motiviert mich sehr.»
Der Sponsor: Auch jung und aufstrebend
Zehnkampf ist, was die Ausrüstung betrifft, sehr aufwendig. Und nachdem Swiss Athletics bei Nike, Adidas und Puma keinen Ausrüstervertrag für Ehammer erwirken konnte, ist er nun bei der jungen, aufstrebenden Schweizer Marke On untergekommen.
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