Durchzogener AuftrittKeine Spur von Glanz und Freude bei Granit Xhaka
Der 31-jährige Captain ist so oft am Ball wie kein anderer Spieler – und doch schwankt sein Auftritt zwischen Hemmung und Lustlosigkeit.
Das Spiel beginnt eigentlich schon mit der Nationalhymne. Es regnet, als der Schweizer Psalm abgespielt wird und Granit Xhaka so da steht wie immer: die rechte Hand auf dem Herzen, der Mund verkniffen. Gesungen hat er ihn noch nie.
Zum 120. Mal steht er für die Schweiz im Einsatz, seit er am 4. Juni 2011 sein Debüt gab. Keine 19 war er an jenem Tag, als er mit der Schweiz auf einer der grössten Bühnen des Weltfussballs seine Aufwartung machte, im Wembley von London. Am Tag vor dem Spiel hatte ihn Trainer Ottmar Hitzfeld gefragt: «Granit, bist du bereit?» Die Antwort war knapp:» «Kein Problem, Trainer. Dafür bin ich hier.» Heute sagt Hitzfeld: «Diese Antwort war Programm für seine folgende Karriere.»
Seit gut drei Jahren ist er nun Captain, als logischer Nachfolger von Stephan Lichtsteiner. Und er ist ein Captain, der polarisiert wie dieser Lichtsteiner oder früher ein Alex Frei. Ihn hat das nie weiter gestört, weil er gelernt hat, mit Widerständen zu kämpfen. Das hat nicht zuletzt mit seiner Herkunft zu tun, mit den zwei Herzen, die in seiner Brust schlagen.
Er hat sich noch nie als «Schweiz-Schweizer» verstanden, sondern immer als «Kosovo-Schweizer». Also hat er jüngst erklärt: «Ich bin kein purer Schweizer, der nur von heute auf morgen denkt. Ich denke grösser. Ich sage auch einmal meine Meinung offen und ehrlich.» So kennen wir ihn: als Mann des pointierten Wortes.
Nicht jedes seiner Länderspiele ist gleich denkwürdig ausgefallen. Oder vielleicht auf die falsche Art so wie am Mittwoch im ungarischen Felcsut, als die Schweiz gegen Israel in der zweiten Halbzeit in sich zusammenfällt und Xhaka zusammen mit seinen Kollegen von der Bildfläche verschwindet. Reden mochte er hinterher nicht, auch nicht auf Nachfrage. «Nein!», fauchte er zurück, «das siehst du doch!»
Gegen Kosovo spielt er auf der Position der 8, halblinks vor Denis Zakaria. Ob das nun seine Lieblingsposition ist, darüber lässt sich debattieren. Er würde jedenfalls die Rolle des Sechsers vorziehen. Am Ende des Spiels verzeichnet er die meisten Ballkontakte, 132, und meisten Pässe, 127 von denen 117 ankommen.
Als er einen Zweikampf verliert und einfach stehen bleibt
Die strahlenden Einlagen sind nicht dabei. Das ist auch nicht so einfach gegen einen Gast, der sein eigenes Tor gerne erbarmungslos verbarrikadiert. Raumgreifende Pässe Xhakas in die Tiefe sind ein rares Gut, so eben wie in der ersten Halbzeit auf die rechte Seite. Bloss weiss Xherdan Shaqiri damit nichts anzufangen.
Nach der Pause wird Xhaka verwarnt, es ist ein Frustfoul gegen Kastrati. Und es ist sinnbildlich für die Lustlosigkeit, die sich in seinem Auftritt wiederholt zeigt. An der Mittellinie verliert er einen Zweikampf, als würde es ihn nicht interessieren, und darum bleibt er gleich noch stehen. Oder als Ruben Vargas einmal lieber selbst schiesst, verwirft er, wenig magistral, die Hände.
Als Xhaka vor fünf Wochen den Länderspielrekord von Heinz Hermann egalisierte, stach aus der Eloge Hitzfelds ein Satz heraus: «Die herausragende Qualität von ihm ist, mit welcher Konstanz er seine Leistungen auf absolutem Weltklasseniveau abzurufen vermag.»
Davon ist gegen Kosovo nichts zu sehen. Es ist bei ihm auch nichts von spürbarer Erleichterung zu erkennen, als der Match zu Ende und die Qualifikation gesichert ist. Xhaka umarmt einen Kosovaren nach dem anderen, bevor er sich um seine Mitspieler kümmert. Erst als er eine seine Töchter auf dem Arm herumträgt, verrät er Freude. Es ist ein spezieller Abend.
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