Überraschung im Kuss-SkandalUnd dann ruft er trotzig in den Saal: «Ich trete nicht zurück!»
Nach seinem Aussetzer im WM-Final wurde der Rücktritt des spanischen Fussballchefs Luis Rubiales erwartet. Obwohl es anders kam, beantragt Spaniens Sportbehörde seine Suspendierung.
Entgegen aller Erwartungen tritt Luis Rubiales wegen des Kuss-Skandals beim WM-Final der Frauen als Präsident des spanischen Fussballverbandes RFEF nicht zurück. Dies hatten im Lauf der Woche verschiedene spanische Medien spekuliert, und es wurde davon ausgegangen, Rubiales würde den Entscheid am Freitagmittag bei einer ausserordentlichen Generalversammlung des Verbandes in Madrid öffentlich machen.
Die Generalversammlung gab es und fand statt vor zahlreichen Funktionären des spanischen Fussballs. Doch der Rücktritt des angezählten Verbandschefs blieb aus. Stattdessen hielt Rubiales eine Brandrede, die in seiner Klarstellung gipfelte, die er regelrecht und gleich mehrmals in den Saal brüllte: «No voy a dimitir! No voy a dimitir!» Nein, er trete ganz sicher nicht zurück. Das Publikum im Saal applaudierte.
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Nach dem Sieg der Spanierinnen im WM-Final vom vergangenen Sonntag in Sydney gegen England hatte sich Rubiales als Jubelgeste provokativ in den Schritt gegriffen. Danach küsste der 46-Jährige die Spielerin Jennifer Hermoso bei der Siegerehrung ungefragt auf den Mund. Hermoso hatte kurz darauf in einem Video gesagt, dass ihr der Kuss unangenehm gewesen sei. «Aber was sollte ich machen?», fügte sie hinzu. Ein Sturm der Entrüstung brach los, und viele in Spanien forderten den Rücktritt von Rubiales.
Rubiales gab zu, die Kontrolle verloren zu haben. Das war es aber auch schon. Kurz darauf spielte er die Situation auch herunter und verharmloste den Kuss. «Ein Küsschen», sei das gewesen, «ich hätte dieses auch meiner Tochter geben können». Ausserdem fand er, es habe in jenem Moment Sinn gemacht, weil Hermoso jene Spielerin gewesen war, die in der Partie einen Penalty zum möglichen 2:0 vergab. «Ich hob die Spielerin zu mir und sagte ‹mach dir keine Sorgen wegen des Penaltys›», sagte Rubiales weiter. «Sie umarmte mich und sagte: ‹Du bist fantastisch.› Deshalb gab ich ihr dieses Küsschen, und sie sagte, das sei okay.»
«In diesem Kuss stecke nichts Sexuelles», so Rubiales. Überhaupt zeigt der 46-Jährige wenig Einsicht und sieht sich eher als Opfer denn als Täter. Er sagte: «Wenn man hier von sexuellem Übergriff spricht, mein Gott, was soll denn eine Frau denken, die einen wahren Übergriff erlebt hat?» Weiter machte Rubiales auch die Medien verantwortlich, stellte gar die Pressefreiheit in Frage. «Die Presse sucht nicht nach der Wahrheit. Wenn es Medien gibt, die von bestimmten Dingen abhängen, geht die Freiheit verloren.»
In der Kampagne, der er sich ausgesetzt sieht, werde weder auf Wahrheit noch auf Gerechtigkeit reagiert. «Politiker haben diese Aktion als sexuelle Gewalt ohne Zustimmung, als Körperverletzung bezeichnet. Diese Leute versuchen, mich öffentlich zu lynchen. Ich werde gegen sie vorgehen.» Rubiales sprach von einer Hexenjagd und sagte zum Schluss: «Hier geht es nicht um Gerechtigkeit, sondern um eine soziale Hinrichtung. Ich werde kämpfen bis zum Ende.»
Was macht jetzt die Regierung?
Ausgestanden ist für ihn dieser Skandal damit nicht. Noch lange nicht. Die Regierung hatte bereits tags zuvor angekündigt, dass sie einschreiten werde, sollte es an der Generalversammlung keine Konsequenzen für den hochrangigen Funktionär geben. Der geschäftsführende Ministerpräsident Pedro Sánchez bezeichnete das Verhalten von Rubiales als «inakzeptabel». Denkbar, dass die Regierung nun aktiv wird. Zusätzlich hat die Staatsanwaltschaft in Madrid angekündigt, Klage wegen sexuellen Übergriffs zu erheben.
Die oberste spanische Sportbehörde CSD will nach dem verweigerten Rücktritt von Rubiales beim Sportgerichtshof Tad die Suspendierung des Verbandschefs beantragen. Dies werde die Behörde noch am Freitag in die Wege leiten, sagte CSD-Chef Victor Francos bei einer Pressekonferenz. «Heute werden wir eine Beschwerde beim Tad einreichen, damit dieser beurteilen kann, ob ein schwerwiegendes Fehlverhalten vorliegt», sagte Francos. Er bat den Sportgerichtshof, bereits am Montag zusammenzukommen. Die Sportbehörde wirft Rubiales «sehr schweres» Fehlverhalten vor. Dies berechtigt die CSD nach Artikel 62 des Sportgesetzes dazu, Rubiales zu suspendieren, sobald das Sportgericht die Beschwerde zur Prüfung annimmt, wie die Zeitung «AS» schrieb.
Rücktritt im Nationalteam
Ebenfalls hat kurz nach der Ansprache des Verbandspräsidenten der erste Nationalspieler, namentlich Borja Iglesias, Stürmer bei Betis Sevilla, angekündigt, nicht mehr für die Nationalmannschaft aufzulaufen, solange Rubiales im Amt ist. Hector Bellerin, David de Gea und der ehemalige Nationalteam-Captain Iker Casillas zeigten sich auf X empört über die Aussagen. Sie seien «zum Fremdschämen», schreibt Casillas.
Die amerikanische Star-Spielerin Alex Morgan hat ebenfalls scharfe Kritik geübt. «Ich bin angewidert von den öffentlichen Aktionen von Luis Rubiales», schrieb sie auf X. Und auch die Schweizer Nationalspielerin Ana-Maria Crnogorcevic, beim FC Barcelona eine frühere Teamkollegin Hermosos, reagierte mit Entsetzen auf Rubiales’ spektakulären Auftritt. Auf ihren Accounts äusserte sie sich mit drastischen Worten und entsprechenden Emojis.
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Gut möglich also, dass Rubiales den Rückhalt innerhalb der Fussballfamilie doch noch verliert – auch wenn ihm im Saal selbst der Support gewiss war und er sich in seiner Rede artig dafür bedankte. Javier Tebas jedenfalls, Präsident der spanischen Profiliga, liess nach der verrückten Wende in der Affäre auf X, vormals Twitter, verlauten: «Die Liste der Frauen und Männer, die in diesen Jahren von Luis Rubiales geschädigt wurden, ist zu lang, und das muss aufhören. Wir leiden unter ihm.» Dazu muss man allerdings wissen, dass Tebas und Rubiales – nur schon Amtes wegen – Gegenspieler sind.
Ungemach droht Rubiales weiterhin von der Fifa. Die Disziplinarkommission des Weltverbandes hatte am Donnerstag angekündigt, sie werde ein Verfahren gegen ihn einleiten. «Die Fifa bekräftigt ihr uneingeschränktes Bekenntnis zur Achtung der Integrität aller Personen und verurteilt deshalb jedes gegenteilige Verhalten aufs Schärfste», teilte die Organisation mit. Die Disziplinarkommission prüfe einen Verstoss gegen Artikel 13 des eigenen Reglements, der mit «Beleidigendes Verhalten und Verstösse gegen die Grundsätze des Fairplay» überschrieben ist. Rubiales ist auch Vizepräsident des europäischen Verbandes Uefa.
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