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Coronavirus in den USA
Donald Trump hat einen Sündenbock gefunden

«Missmanagement und Vertuschungen»: US-Präsident Donald Trump kritisierte die WHO an einer Pressekonferenz scharf.
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Die USA werden vorerst nicht mehr zur Finanzierung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beitragen. Präsident Donald Trump sagte am Dienstag, er habe einen Zahlungsstopp angewiesen. Ob, wann und unter welchen Bedingungen Washington sich wieder am Haushalt der in Genf ansässigen UN-Unterorganisation beteiligen werde, sagte er nicht. Zuerst sollten das «Missmanagement und die Vertuschungen» der WHO in der Corona-Krise untersucht werden. Durch das Missmanagement der WHO und deren Vertrauen auf Angaben aus China habe sich die Epidemie dramatisch verschlimmert und rund um die Welt verbreitet, sagte Trump im Rosengarten des Weissen Hauses.

Die Regierung in Washington wirft der WHO vor allem vor, um die Jahreswende 2019/20 herum zu lange die chinesische Darstellung mitgetragen zu haben, wonach das Sars-CoV-2-Virus nicht leicht von Mensch zu Mensch übertragbar und das Risiko einer weltweiten Pandemie daher eher niedrig sei. Zudem beschuldigt Trump die WHO, gegen die von ihm Ende Januar verhängten Einreisebeschränkungen für Passagiere aus China gewesen zu sein. Hätte die Organisation ihre Arbeit gemacht und nicht einfach nur die chinesischen Lügen über die Ansteckungsgefahr und die Tödlichkeit des Virus «nachgeplappert», hätten viele Leben gerettet werden können, sagte Trump. Er werde daher nicht weiter 400 bis 500 Millionen Dollar pro Jahr aus amerikanischen Steuermitteln an die WHO überweisen.

Von eigenen Fehlern ablenken

Zwar haben auch andere Regierungen Kritik an der zögerlichen Reaktion der Organisation auf den Corona-Ausbruch und am Einfluss Chinas in der WHO geäussert. Die Tirade von Trump wurde in Washington jedoch in erster Linie als Versuch gewertet, von seinen eigenen Versäumnissen abzulenken und die Schuld an der schlechten Lage in den USA von sich zu schieben. So hat Trump selber zum Beispiel das Regime in Peking Ende Januar in einem Tweet für die «Transparenz» im Umgang mit dem Coronavirus gelobt. Die US-Geheimdienste und Gesundheitsexperten in der Regierung warnten den Präsidenten damals bereits vor einer Pandemie. Trump dagegen wollte China nicht zu harsch kritisieren, weil er auf den Abschluss eines Handelsabkommens hoffte.

Auch für die späteren Fehler im Krisenmanagement ist weniger die WHO als die Trump-Regierung verantwortlich. Zwar hat der Präsident tatsächlich Ende Januar die Einreise von Personen aus China eingeschränkt, was die WHO kritisierte. Auf diese Entscheidung beruft Trump sich immer noch, um zu belegen, wie ernst er die Bedrohung angeblich genommen hat.

Über 16 Millionen verloren Jobs

Aber zu dem Zeitpunkt war Sars-CoV-2 längst in den USA angekommen. Den ganzen Februar über kümmerte sich Trump dann praktisch nicht weiter um das Virus. Im Gegenteil – eher redete er die Gefahr klein. Weder stockte die US-Bundesregierung die Vorräte an Schutzkleidung für medizinisches Personal auf, noch baute sie Krankenhauskapazitäten aus oder erliess Ausgangssperren. Das führte dazu, dass die Corona-Pandemie die Vereinigten Staaten im März weitgehend unvorbereitet und mit grosser Wucht traf.

New York ist zum Epizentrum der globalen Krise geworden. Inzwischen sind mehr als 26’000 Menschen in den USA an dem Virus gestorben – den offiziellen Zahlen zufolge mehr als in jedem anderen Land der Erde. Allerdings ist unklar, wie viele Todesopfer die Pandemie in China tatsächlich gefordert hat. Mehr als 16 Millionen Amerikaner haben wegen der Wirtschaftskrise zudem ihre Arbeitsplätze verloren. Da Trump im kommenden November zur Wiederwahl steht, will er vermeiden, für diese dramatische Lage verantwortlich gemacht zu werden.

Gesundheitsexperten kritisieren Entscheid

Der US-amerikanische Epidemiologe David Heymann, der 2003 als zuständiger WHO-Abteilungsleiter die Eindämmung des damaligen Sars-Ausbruchs koordinierte, verteidigte die Weltgesundheitsorganisation im Gespräch mit dieser Zeitung gegen Trumps Angriffe. «Trotz aller geopolitischen Spannungen» gelinge es der WHO nach wie vor, den Ländern «hochwertige, evidenzbasierte Informationen für den Umgang mit dieser Pandemie zu liefern», sagte Heymann am Mittwoch. Er sei zudem «enttäuscht, dass die USA offenbar ihre globale Führungsrolle in der Gesundheitspolitik aufgeben» wollten.

Auch zahlreiche andere internationale Gesundheitsexperten kritisierten die Entscheidung des US-Präsidenten. Amesh Adalja, Forscher an der renommierten Johns-Hopkins-Universität in Baltimore, sagte, der Stopp der Zahlungen mitten in einer Pandemie sei «unklug», trotz der «Defizite der WHO in Bezug auf China», und er werde die Auswirkungen der aktuellen Krise verschärfen.

Unterstützung aus Australien

UNO-Generalsekretär António Guterres sagte, es sei «nicht die Zeit, Ressourcen für die Anstrengungen der WHO oder irgendeiner anderen humanitären Organisation im Kampf gegen das Virus zu reduzieren». Vielmehr sei jetzt «die Zeit für Einheit und für eine Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft in Solidarität». Ein Sprecher der chinesischen Regierung sagte, Trumps Entscheidung werde die «internationale Zusammenarbeit» bei der Bekämpfung der Seuche «untergraben».

Zustimmung bekam Trump aus Japan. Der stellvertretende Ministerpräsident und Finanzminister Taro Aso hatte gar vorgeschlagen, die WHO in CHO für Chinagesundheitsorganisation umzubenennen. Teilweise einverstanden war der australische Ministerpräsident Scott Morrison. Dieser sagte, er teile die Kritik am Umgang der WHO mit China – gleichwohl leiste die Organisation «eine Menge wichtiger Arbeit».