Ideen gegen CoronaDieser Däne machte Rostock zum «Coldspot»
Keine Stadt in Deutschland ist bisher besser durch die Pandemie gekommen als die Ostsee-Hafenstadt Rostock. Es ist vor allem das Verdienst ihres unkonventionellen Bürgermeisters.
Schaut man auf Deutschlands Corona-Karte, herrscht die Farbe Rot vor: dunkel im Süden und Osten, ein bisschen heller, je weiter man in den Norden kommt. Ganz oben, an der Ostsee, findet sich ein kleiner, gelber Fleck: Rostock. Nicht wirklich Corona-freie Zone, Corona-arm, das schon.
Die Hanse- und Universitätsstadt an der Ostsee mit ihren 210'000 Einwohnern war schon in der ersten Welle im letzten April die erste Stadt Deutschlands gewesen, die sich als «virenfrei» meldete. Auch in der zweiten Welle lagen die Werte hier deutlich tiefer als in jeder anderen deutschen Grossstadt.
Natürlich profitiert Rostock auch von seiner Lage. Aber nicht nur.
In den letzten 7 Tagen verzeichnete Rostock 34 Fälle pro 100'000 Einwohner. Über dem offiziellen Schwellenwert von 50 lag die Stadt in den letzten Monaten nur an einem einzigen Tag, dem 11. Januar.
Rostock profitiert natürlich von seiner Lage: weit im Norden, mit dem Meer als Nachbar und dünn besiedeltem Gebiet rundherum. Reines Glück ist seine Ausnahmestellung trotzdem nicht, schliesslich gibt es in der mecklenburgischen Nachbarschaft mittlerweile einige «Hochrisikogebiete».
Die Stadt verdankt ihren Ruf als «Coldspot» vor allem ihrem unkonventionellen Oberbürgermeister. Claus Ruhe Madsen ist Däne und seit 2019 der einzige Nicht-Deutsche, der eine deutsche Grossstadt regiert. Seit er den Erfolg seiner Corona-Politik erklären darf, ist der Wikinger mit dem braun-weissen Rauschebart im ganzen Land bekannt.
Sein Ziel: Vor die Welle kommen
In die Politik fand der 48-jährige Unternehmer mit eigener Möbelkette nur, weil Christdemokraten und Liberale den Parteilosen als Kandidaten warben. Im Wahlkampf setzte sich der lustige Däne gegen die Politprofis von SPD und Linkspartei dann mit einer Leichtigkeit durch, wie wenn er nie etwas anderes getan hätte. «Rostock bewegen» lautete sein Versprechen – aber da wusste Madsen noch nicht, dass ihn einige Monate später die schlimmste Seuche seit 100 Jahren heimsuchen würde.
Der Mann aus Kopenhagen, der mit einem Auge sowieso stets über die Ostsee schielt, sah, wie schnell die Dänen auf das neue Virus reagierten, und tat es ihnen sofort nach. Als einer der ersten deutschen Bürgermeister verbot er Grossveranstaltungen, schloss Museen, Bibliotheken, Bäder und Zoo – anfänglich sehr zum Verdruss der Landesregierung in Schwerin, der das alles viel zu schnell ging.
Hilfe beim Testen
Madsen hingegen war wild entschlossen, «vor die Welle zu kommen». Und der Königsweg dafür hiess aus seiner Sicht: testen, testen, testen! Erneut hatte er Glück: Mit Centogene stellte in Rostock ein Biotechunternehmen gerade seine Produktion auf Corona-Tests um.
So begannen die Stadt und die Firma in Alters- und Pflegeheimen, in Spitälern und Asylheimen, in Schulen und Kasernen zu einer Zeit breit zu testen, als das Robert-Koch-Institut in Berlin das noch für nutzlos oder gar schädlich hielt.
Erst 16 Corona-Tote
Eisern beharrte Madsen auch darauf, dass man nie aufgeben dürfe, Infektionen akribisch nachzuverfolgen. Früh schulte er dafür Mitarbeiter aus anderen Verwaltungsabteilungen um. Auch im Sommer hielt er noch daran fest, als das Gesundheitsamt bereits über drohenden Leerlauf klagte. Beim Impfen kommt Rostock nun ebenfalls schneller voran als alle anderen deutschen Grossstädte.
16 Menschen sind in Rostock bisher an Covid-19 gestorben, Madsen kennt jeden einzelnen Fall, wie er gerade der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» erzählte. Geringer ist die Todesrate in keiner deutschen Stadt. Etwa 80 Todesfälle habe seine Stadt durch das beherzte Handeln wohl verhindert, das erfülle ihn mit Stolz. Aber die Pandemie sei noch lange nicht zu Ende.
Madsen hat der Landesregierung angeboten, bei den Lockerungen als «Pilotstadt» vorauszugehen.
Eine langfristige Perspektive sei nun nötig. Bilanz ziehen solle man erst am Schluss, und auch dann werde der entscheidende Wert die Zahl der Todesfälle sein. Er habe in der Pandemie oft Tag und Nacht an Lösungen herumstudiert. Die Verantwortung für die Gesundheit von 210'000 Menschen zu tragen, belaste ihn.
Den «Lockdown» als Pauschalmassnahme sieht Madsen kritisch. Er glaube, dass sich mit ein bisschen Fantasie Schulen, Restaurants oder Läden bald wieder öffnen liessen, ohne dass die Infektionen überhandnähmen. Wenn man die Menschen davon überzeugen könne, sich verantwortungsvoll zu verhalten, sei vieles möglich. Man müsse das Virus bekämpfen, nicht die Bevölkerung, sagt Madsen gern.
Er habe der Landesregierung schon im Oktober angeboten, bei kontrollierten Lockerungen als «Pilotstadt» vorauszugehen. Auf den Sommer am Stadtstrand in Warnemünde freue er sich: Rostock werde einer der sichersten Orte Deutschlands sein.
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