US-Präsident Biden in EuropaDiese Optionen hat der Westen noch im Konflikt mit Russland
Gleich an drei Krisengipfeln treffen sich die Staats- und Regierungschefs von Nato, G-7-Staaten und EU. Fünf Themen stehen dabei im Vordergrund.
US-Präsident Joe Biden kam bereits am Mittwochabend am Brüsseler Flughafen Zaventem an, wo er vom belgischen Regierungschef Alexander De Croo empfangen wurde. Danach geht es eng getaktet los: Zuerst im Hauptquartier der Nato am Brüsseler Stadtrand, gefolgt vom Treffen der G-7-Staaten, wo der japanische Premier Fumio Kishida hinzustösst. Schliesslich verlagert sich ein Grossteil des Trosses ins Europaviertel, wo der US-Präsident zu Beginn des zweitägigen EU-Gipfels bei den Gesprächen dabei ist.
Nimmt die Nato den Wunsch von Präsident Wolodimir Selenski auf, und setzt sie über der Ukraine eine Flugverbotszone durch? Stoppt die EU nun doch die Energieimporte aus Russland, aus deren Erlösen Wladimir Putin seinen Krieg finanziert? Bei den Krisentreffen stehen fünf Themen zur Debatte.
Nato will direkte Konfrontation vermeiden

Bei den Krisentreffen geht es darum, Geschlossenheit in den eigenen Reihen und Solidarität mit der Ukraine zu demonstrieren. Wolodimir Selenski soll am Donnerstag per Videolink zum kurzfristig anberaumten Nato-Gipfel und später auch beim EU-Gipfel zugeschaltet werden. Der Präsident der Ukraine dürfte dabei seine Forderung nach einer Flugverbotszone und nach humanitären Korridoren bekräftigen, die von der Nato durchgesetzt werden müssten.
Die Nato will jedoch die direkte Konfrontation mit Putin um jeden Preis vermeiden und dürfte die Wünsche diplomatisch zurückweisen. Gilt das auch, sollte Russland chemische Waffen einsetzen? Die Diskussion über rote Linien für eine Intervention ist im Gange.
Klar ist, dass die Nato der Ukraine weitere Hilfe in Form von Rüstungsgütern zusichern wird, die allerdings nicht unter dem Banner der Militärallianz, sondern von einzelnen Mitgliedsstaaten geliefert werden. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg kündigte an, die Ukraine zusätzlich mit Schutzausrüstung vor chemischen, biologischen und nuklearen Waffen zu unterstützen.
Die Staats- und Regierungschefs werden bekräftigen, die Nato-Truppen entlang der Ostflanke zu verstärken. Ein russischer Angriff auf den Umschlagplatz für Rüstungsgüter in Polen ist ein Szenario, das die Nato auf dem Radar hat.
EU (noch) nicht für Energieembargo bereit

Es ist eine Premiere, dass ein US-Präsident auch physisch an einem EU-Gipfel in Brüssel mit allen Mitgliedsstaaten teilnimmt. Die Anwesenheit von Joe Biden unterstreicht den Ernst der Lage. Der Westen sieht sich im Belagerungszustand, zwischen einem aggressiven Russland und einer chinesischen Führung, die sich bedeckt hält. Welche Optionen sind auf dem Tisch?
Biden dürfte auf weitere Sanktionen wie einen Importstopp für Öl, Gas und Kohle aus Russland drängen. Der US-Präsident komme mit klaren Erwartungen und werde nicht mit leeren Händen nach Hause fahren wollen, sagen EU-Diplomaten. Der Druck auf die Europäer dürfte also gross sein. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich allerdings gerade wieder gegen einen Importstopp ausgesprochen, weil der den Kontinent in eine Rezession stürzen würde.
Ein Kompromiss wäre, dass die EU zumindest den Import von Öl aus Russland stoppt. Thema ist auch der Vorschlag der EU-Kommission, die Abhängigkeit von russischer Energie bis Ende Jahr um zwei Drittel zu reduzieren. Der Gipfel könnte beschliessen, den Umstieg auf andere Lieferanten zu beschleunigen und die Versorgung mit Flüssiggas aus Katar, den USA oder Australien zu forcieren.
Kampf gegen explodierende Energiepreise

Die Preise für Energie und Lebensmittel steigen, und ein Ende ist nicht abzusehen. Die Staats- und Regierungschefs werden über Notfallmassnahmen gegen die hohen Energiepreise sprechen. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, die Energiekonzerne bis Oktober zu verpflichten, die Gasspeicher bis zu 80 Prozent zu füllen, um die Versorgung im nächsten Winter zu sichern.
Zur Diskussion steht auch ein gemeinsamer Einkauf von Flüssiggas, Wasserstoff und Preisobergrenzen zum Schutz der Konsumenten. Zudem soll die Landwirtschaft auf Krisenproduktion umstellen. Die Ukraine als weltweit wichtiger Weizenexporteur fällt aus. Landwirte in der EU sollen für Umweltschutz vorgesehene Brachen nutzen und für hohe Düngerpreise entschädigt werden.
Hilfe für Flüchtlinge

Rund 3,6 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer sind bereits in die EU geflüchtet, doch mit bis zu 10 Millionen Vertriebenen wird gerechnet. Thema am Gipfel ist deshalb auch, wie die Hilfe koordiniert und die Vertriebenen auf die Mitgliedsstaaten verteilt werden könnten.
EU-Migrationskommissarin Ylva Johansson sprach sich am Mittwoch deutlich gegen eine verbindliche Verteilquote aus. Die Vertriebenen könnten frei entscheiden, wo sie sich niederlassen wollten. Die EU-Kommission will einen Streit um Verteilquoten wie während der Flüchtlingskrise von 2015 um jeden Preis vermeiden. Johansson verwies auf eine «Solidaritätsplattform», über die sich Mitgliedsstaaten und Regionen informell über eine freiwillige Verteilung austauschen können.
EU verdoppelt Militärhilfe auf eine Milliarde

Wladimir Putin dürfe in der Ukraine nicht siegen, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel. Das sei eine Frage der Sicherheit Europas und für die Zukunft der Welt. Die EU hat der Ukraine aus der sogenannten Europäischen Friedensfazilität bereits 450 Millionen Euro für Waffen zur Verfügung gestellt. Die Mittel sind weitgehend ausgeschöpft. Die Staats- und Regierungschefs dürften eine weitere halbe Milliarde Euro aus dem Sonderfonds für Rüstungsgüter an die Ukraine freigeben.
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