Mamablog: Self-Care und AchtsamkeitDie Wut muss raus!
Warum Eltern negative Emotionen wie Stress und Angst nicht unterdrücken sollten – auch den Kindern zuliebe.
Es war so gar nicht mein Tag gewesen, und aufgrund des Wettertiefs fühlte sich mein Kopf an wie ein Marshmallow kurz vor dem Aufplatzen in der Mikrowelle. Ich sehnte mich nach nichts als Ruhe und einer Tasse Tee. Doch während wir Eltern abends entschleunigen wollen, entspannen sich unsere Kinder anders: laut, Fangis spielend und matratzenhüpfend. Pyjama anziehen oder Zähneputzen, anyone? Fehlanzeige. An diesem Abend hatte ich keinen Nerv dafür. Ich spürte die gesamte Anspannung des Tages in mir aufsteigen.
«Mama, was ist?», hörte ich es rufen, als ich mich in den Sessel plumpsen liess. Ich sagte eine Weile nichts. Als meine Antwort endlich kam, wirkte sie wie Zauberei: «Ich bin heute irgendwie so… wütend.» Die Pyjamas waren dadurch natürlich nicht schneller angezogen und auch die Zähne putzten sich nicht von selbst. Aber es veränderte sich etwas. Und mein Kopf fühlte sich gar nicht mehr so marshmallowartig an.
Negative Gefühle nicht wegdrücken
Wir Eltern müssen funktionieren und geraten dabei schnell in die endlose Tretmühle der To-dos. Nicht umsonst ist Mental Load in aller Munde, sind Achtsamkeit und Selbstfürsorge zu einer Bewegung geworden. Wir spüren, dass wir gelassener mit unseren Kindern sind, wenn es uns selbst gut geht.
Self-Care als weiterer Punkt auf der To-do-Liste? Dachte ich erst auch. Bis ich mich mit dem Thema beschäftigt und gelernt habe: Es fängt in kleinen Momenten an. Im Wahrnehmen der eigenen Atmung, der angespannten Stirn. Im bedachten Eincremen der Hände, dem ersten Schluck einer Tasse heissen Tees. Und: Im bewussten Erfahren der eigenen Gefühle.
Ist es nicht oft so, dass wir Erwachsenen eigene negative Gefühle wie Wut, Angst oder Trauer schnell wegdrücken?
Wir wollen Kindern gute Begleiter sein, regen sie dazu an, den Umgang mit ihren Gefühlen zu lernen, gerade auch mit den unangenehmen. Aber was ist mit uns? Ist es nicht oft so, dass wir Erwachsenen eigene negative Gefühle wie Wut, Angst oder Trauer schnell wegdrücken? Weil wir es vielleicht so gelernt haben — gut gemeinte Floskeln wie «Hab keine Angst», «Sei nicht traurig» und «Sei doch nicht wütend» kennen viele sicher aus der eigenen Kindheit. Weil wir meinen, sie uns nicht leisten zu können. Oder weil wir eines nicht mehr hören wollen: «Du hast es ja so gewollt.»
Wie wichtig es ist, alle Gefühle anzunehmen, beschreibt Achtsamkeitslehrer Jörg Mangold in «Wir Eltern sind auch nur Menschen»: «Gerade für Eltern kann Achtsamkeit auf mehreren Ebenen nützlich sein: Wir üben im gegenwärtigen Moment, präsent zu sein mit unseren Empfindungen, Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühlen. Damit haben wir viel grössere Chancen, die Vorboten des Stresses zu spüren.» Allein das Wahrnehmen aufwallender negativer Gefühle beruhigt laut Mangold unser Gehirn.
Negative Gefühle zu unterdrücken macht auf Dauer krank
In «Leben mit Hirn» erzählt Autor Sebastian Purps-Pardigol, wie wir unser Gehirn bei Stress beruhigen können und verweist dabei auf neue Ergebnisse aus der Hirnforschung. Bereits durch unsere Gedanken könnten wir unmittelbar beeinflussen, welche Bereiche unseres Gehirns aktiviert werden. Das bewusste Zulassen des negativen Gefühls sende ein beruhigendes Signal vom präfrontalen Cortex — einem Teil des Frontallappens unserer Grosshirnrinde — an die Amygdala, eine Schlüsselregion des Gehirns, die zuständig ist für die Reizverarbeitung.
Wenn wir das Gefühl dann noch in Worte fassen, so der Autor — in der Hirnforschung als «Affect Labeling» bekannt, können wir unser Gehirn um ganze 70 Prozent beruhigen. Würden negative Gefühle aber immer wieder unterdrückt, könne uns das auf Dauer sogar krank machen und zu Bluthochdruck führen.
Bei aller Wissenschaft: Ich denke, Kinder brauchen einfach authentische Eltern. Das heisst für mich weder, dass ich meinen Kindern alle persönlichen Details erzähle, noch, dass ich all meine Gefühle ungefiltert an ihnen auslasse. Aber wenn wir uns negative Gefühle offen zugestehen, sehen sie, dass wir Menschen mit Bedürfnissen sind. Dass wir auch mal nervös, abgelenkt oder einfach nur müde sind. Uns mal vor etwas fürchten oder eine Wut haben. Und sie wissen, was ich auch fühle: Es ist okay.
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