Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Mamablog: Tipp für Teenie-Eltern
Die winzige Schublade namens Pubertät

Es geht um so viel mehr! Ein profanes Wort wie Pubertät wird der Gefühlswelt von Teenagern nicht gerecht.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Einmal die Woche spaziere ich mit meinen Kindern zur Schule und nehme dort den Bus ins Büro. Ich mag dieses Ritual, denn selten erfahre ich so viel über ihren Schulalltag, wie bei diesem gemeinsamen Gang. Doch kürzlich sagte mein Sohn in der Hälfte des Weges: «Gell Mama, du kannst ruhig schon da den Bus nehmen!», und mit einem so verlegenen wie bestimmten Blick deutete er auf die Bushaltstelle vor uns. Der Wink mit dem Zaunpfahl kam an: Mit elf ist es langsam uncool, mit Mutti im Schlepptau gesichtet zu werden.

«Wie gross er geworden ist!», dachte ich berührt und leicht bedrohlich blinkte das Wort «Pubertät» vor mir auf.

«Ich bin immer noch Mensch und nicht nur in der Pubertät»

Zwei Tage später stiess ich zu Hause ausgerechnet auf jenen längst vergessenen Zettel, den ich mit etwa dreizehn geschrieben hatte und auf dem in dramatischen Lettern steht: «Ich bin immer noch Mensch und nicht nur in der Pubertät!». Grinsend sank ich mit dem leicht vergilbten Papier aufs Sofa und fuhr in Zeitmaschinen-Tempo zurück zu dem Lebensgefühl, das mich damals umgab und mich diese Zeilen hatte schreiben lassen. Schlagartig erinnerte ich mich, wie unerträglich begrenzend ich die Benennung meines Entwicklungsstands empfand.

Dass diese «Diagnose» aus jedem Konflikt eine Einbahn in meine Richtung zu machen schien. Nur schon der Klang dieses Wortes löste bei mir ähnlichen Ekel aus wie die Pickel, die ich vergeblich mit Zahnpasta zu bändigen versuchte. Ich fühlte mich klassifiziert von diesem Wort und Klassifizierung war zu jener Zeit das Gegenteil meiner allumfassenden Verwirrung. Wie unpassend schien es mir, ausgerechnet jetzt in eine Schublade gesteckt zu werden, wo ich doch in keine mehr passte. Und wie sehr ich mich doch dagegen sträubte, umrissen zu werden, jetzt, wo ich Grenzen aufweichen wollte.

Bedeutsam und träge zugleich

Eine akkurat beschriftete Schublade war auch das Gegenteil meiner Verwirrung darüber, dass mein Interesse an der Postlieferung damals plötzlich nicht mehr der Briefmarke für meine Sammlung, sondern ihrem Überbringer galt. Jenem jungen Postboten, der mein Herz auf eine Weise zum Schlagen brachte, wie es bis anhin nicht mal Donald Duck schaffte. So entsprach die mir zugewiesene Schublade auch dem Gegenteil meiner empfundenen Erschütterung, als ich eines Tages beschloss, mich neben dem Briefkasten in Pose zu werfen, als just an dem Tag ein alter, grauer Briefträger auf dem Mofa herbeituckerte. Jener hübsche Briefträger, antwortete er mir, sei nur eine Aushilfe gewesen und kehre nimmer wieder.

Dass ich mich mit ganzem Mut für eine neue Sichtweise entschieden hatte und dem einzig Ernüchterung entgegengesetzt wurde, verstörte mich endgültig. Denn schliesslich war alles so bedeutsam zu jener Zeit. Und gleichzeitig so träge und ereignislos wie ein viel zu heisser Sommertag. In einem Moment schien mir die Welt zu gehören, im nächsten konnte ich mir nicht vorstellen, je einen Platz in ihr zu finden. Ein profanes Fremdwort wie «Pubertät» konnte all den Widersprüchen in mir nicht gerecht werden. Sowieso schien dieses Wort einzig der Beruhigung der Erwachsenen zu dienen.

Von Heldin zur wandelnden Zumutung

Diese gleichzeitig verlorene wie zielstrebige Wucht jugendlicher Gefühle möchte ich bei der nahenden Pubertät meiner Kinder nicht vergessen. Klar, ich habe leicht reden. Noch sage ich zu meinen Kindern Sätze wie: «Hallo, ich kann nur einem von euch zuhören!» Doch mir ist bewusst, dass daraus bald ein: »Hallo, redet vielleicht mal jemand mit mir?», entstehen kann. Schliesslich weiss ich von vielen Freundinnen, wie ungemütlich es ist, von der Heldin zur wandelnden Zumutung abzusteigen und die Launen Jugendlicher auszuhalten. Vielleicht wird es so kommen, vielleicht aber nicht. Vielleicht werde ich in meiner Verzweiflung auch mit dem Wort «Pubertät» um mich schlagen, wie eine Zweijährige mit ihrer Sandkastenschaufel. Wer weiss.

Doch ich habe ja den vergilbten Zettel noch. Und sollte alles nichts nützen, werde ich ihn meinen Kindern, äh Jugendlichen, wortlos präsentieren. Denn vieles, was wir sagen, verliert für unsere Kinder in dieser Zeit vielleicht an Wichtigkeit. Aber eines bestimmt nicht: «Ich war auch mal an diesem Punkt im Leben und ich erinnere mich gut daran. Und weisst du was? Ich glaube an dich.»