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Meinung

Internationale Beziehungen
Die Weltpolitik wird neo­imperialistisch

Masken von Kim Jong Un, Donald Trump und Wladimir Putin hängen in einem Souvenirladen in St. Petersburg.
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Die Weltpolitik ändert sich. Die Hälfte der Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats hat sich bereits von der Charta der Organisation entfernt. Kontinuierlich sind sie dabei, entgegen den Prinzipien zu handeln. Dies trifft vorwiegend dann zu, wenn es die Mitgliedstaaten selbst betrifft.

Ein Veto im Eigeninteresse ist schnell bei der Hand. Ob es China ist mit der Bedrohung Taiwans und des Raumes um das Südchinesische Meer oder Russland mit seinem kriegerischen Machtanspruch im Kaukasus und der Ukraine – oder die USA mit dem «Wunsch» nach einem 51. Bundesstaat namens Kanada, mit der Aneignung des Panamakanals und Grönlands: All dies ist gegen die bisherigen Prinzipien der internationalen Politik.

Nicht die Diplomatie, sondern der Zwang tritt an die erste Stelle der Weltpolitik. Unter der vorgeschobenen Prämisse der eigenen Sicherheit spielen die Interessen der anderen keine Rolle mehr. Dabei geht es gar nicht um Sicherheit, sondern um Einflusssphäre. Statt Partnerschaft geht es um Beherrschen. Statt Verbündeten möchte man Vasallen.

Begründet wird dies nicht selten mit der Geschichte. China weist für den Gebietsanspruch vierhundert Jahre alte Karten auf. Mit der Geschichte lässt sich alles in die gewünschte Richtung interpretieren. Der ehemalige mongolische Präsident meinte dazu, Russland sollte Kontribution an die Mongolei zahlen, schliesslich tat sie es unter Dschingis Khan auch …

Politik der Stärke hat heute allerdings einen ungewollten Nebeneffekt, und dieser heisst Verbreitung der Atomwaffen. Wer Atomwaffen hat, wie die nordkoreanischen Kims, kann nicht mehr militärisch angegriffen werden. Die Ukraine hat verzichtet und muss daher die russische Aggression über sich ergehen lassen. Der Atomwaffensperrvertrag dürfte daher enden. Wer Atomwaffen hat, kann sich behaupten, wer nicht, geht unter. Die Zahl der Atommächte, kleiner wie grosser, dürfte steigen.

Gefragt ist Unterordnung statt Souveränität

Der Neoimperialismus bringt es mit sich, dass Unterordnung anstelle von Souveränität gefragt ist. Aufstrebende Mittelmächte wie Brasilien, Indien, Indonesien, Japan, Südafrika, Südkorea spielen dabei nicht mehr mit. Sie wollen keine Einflusssphären sein. Deshalb werden alle, auch kleine Länder alsbald Atomwaffen entwickeln oder beschaffen.

Das Resultat ist der Zerfall der bisherigen Ordnung, ohne dass sich eine neue etablieren wird. Die Politik der bewaffneten Macht wird erneut zum Hauptschwergewicht. Dabei kommt es nicht mehr darauf an, wie viele Male die eigene Nuklearmacht den Gegner vernichten kann. Es genügt, wie Chruschtschow einst sagte, dies ein einziges Mal schaffen zu können.

Der Neoimperialismus macht die Welt unsicherer, Sicherheit nimmt ab, Positionen des internationalen Rechts gehen verloren, ohne neue, tragende Fundamente zu schaffen. Das Atomgeheimnis ist gar nicht mehr so geheim, auch nicht staatliche oder terroristische Organisationen können in seinen Besitz gelangen. Letztere dürften noch weniger moralische Schwierigkeiten haben, die Waffen einzusetzen – wenn sie sich davon Einlass ins Paradies versprechen. Als ob dieses durch den Atomschlag nicht ebenfalls vernichtet werden dürfte.

Janos I. Szirtes ist Politikwissenschaftler und Verfasser zahlreicher Bücher. Er lebt in Budapest.