Handel mit EventticketsDie unsympathische Ticketbörse
Der Bund ist mit seiner Klage gegen die Onlineplattform Viagogo abgeblitzt. Schade.
Wer auf Viagogo reinfällt, ist selbst schuld – so liest sich das Urteil des Zürcher Handelsgerichts, das die NZZ am Freitag veröffentlicht hat. Die Ticketplattform verklagt hat niemand Geringeres als der Bund. Seit Jahren sammeln sich beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) die Beschwerden: Viagogo verlange Wucherpreise (9000 Euro für ein Ticket zu einem Champions-League-Final). Viagogo erwecke den Anschein, ein offizieller Verkaufskanal zu sein. Viagogo dränge mit aggressiven Mitteln zum Kauf. Mit der Zivilklage des Bundes sollte nun vieles besser werden.
Alles legal, sagt nun jedoch das Gericht. Lediglich bei Kleinigkeiten sah es eine Verletzung des Wettbewerbsrechts. Die «Durchschnittsadressaten» würden von Viagogo nicht irregeführt. Unter «Über uns» stehe auf der Website ganz klar, dass es sich um eine Plattform handle, die Tickets weiterverkaufe – eine Art Ebay für Events. Wenn einzelne unerfahrene oder unvorsichtige Käufer sich dessen erst nach dem Kauf bewusst würden, sei dies nicht relevant, so die Richter. Ein grosser Sieg für Viagogo. Die weltweit tätige Firma mit Sitz in Genf darf wie bis anhin geschäften und profitiert von den hohen Gebühren der Weiterverkäufe.
Viele erleben Viagogo nicht als fairen Markplatz
Auch wenn Viagogo nicht gegen Recht verstösst, viele erleben es keineswegs als fairen Marktplatz. Silvio Borner wollte kürzlich mit Begleitung ins Förnbacher Theater in Basel. Er landete versehentlich auf Viagogo und zahlte 325 Franken – viel zu viel und obwohl es noch reguläre Tickets gab. Seinen Ärger verarbeitete der emeritierte Professor für Volkswirtschaft in seiner Kolumne in der «Basler Zeitung». Auf ein Konzert oder ein Fussballspiel fiebert man hin. Viagogo dämpft diese Euphorie – auch wenn über die Plattform gefälschte Tickets vertrieben werden und die Besucher an der Eingangstüre kehrtmachen müssen.
Nebst den Ticketkäufern leiden auch die Veranstalter. Das Konzertlokal Schüür in Luzern ist laut der «Nidwaldner Zeitung» empört darüber, dass Viagogo vorgebe, Veranstaltungen seien ausverkauft, obwohl es noch Tickets gebe. Das Reeds-Festival in Pfäffikon verkaufte vergangenen Sommer viele Tickets in die Ukraine. Ukrainische Fans an einem kleinen Schweizer Reggae-Festival? Die SRF-Sendung «Espresso» vermutet, dass es rund um Viagogo ein grosses Netzwerk von Personen gibt, die Tickets einkaufen, um diese dann teurer auf der Plattform zu verkaufen.
Das Seco kann das Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist, ans Bundesgericht weiterziehen. Auch in anderen Ländern gehen Behörden, Künstler und Organisationen, etwa der Weltfussballverband Fifa, gegen Viagogo vor. Google nahm für eine gewisse Zeit keine Werbeanzeigen des Portals mehr an, weil sich viele Kunden beschwerten.
«Eine Ticketbörse, bei der Menschen das Gefühl haben, übervorteilt zu werden, ist keine sympathische.»
Die Firma Viagogo sagt, sie wolle Menschen Tickets zugänglich zu machen, an die sie sonst nicht herankommen. Die Klägerin, der Bund, versuche den Eindruck zu erwecken, das Angebot der Beklagten sei unseriös oder gar betrügerisch, was nicht stimme. Es sei nichts Illegales dabei, wenn die Kunden Tickets untereinander kaufen und verkaufen. Das Zürcher Handelsgericht bestätigt dies.
Doch eine Ticketbörse, bei der Menschen das Gefühl haben, übervorteilt zu werden, ist keine sympathische. Wäre Viagogo ein Laden in einer Innenstadt, es wäre ein zwielichtiger. Es ist nicht klar, ob Neuware oder Secondhand verkauft wird. Alles ist teuer. Es kann sein, dass die Produkte beschädigt sind. Und die Verkäufer gängeln einen erst noch. Mit einem Countdown. Mit Aussagen wie: «Kaufen sie schnell, es gibt fast nichts mehr.» Und mit versteckten Gebühren. So will eigentlich niemand einkaufen. Auch wenn das Gericht den Laden stützt.
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