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Meinung

Glosse: Lobbyismus, die andere Pandemie
Die Superspreader von Bern

Ein Lobbyist telefoniert in der Wandelhalle während der Frühlingssession der Eidgenoessischen Räte, am Donnerstag, 17. März 2016 in Bern. 
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Im Bundeshaus drin tagen ab Montag die Damen und Herren hinter Plexiglas. Das Tragen von Masken und Desinfizieren der Hände wird «dringend empfohlen». Klinisch rein wird Politik trotzdem nicht. Das hat mit einem Virus zu tun, das viel älter ist als Sars-Cov-2 – und es wird beim Essen übertragen. Der Erreger heisst Lobbying und gehört zum Politikbetrieb, seit es ihn gibt.

Nach der Sitzung strömen die Politiker in die Berner Altstadt, wo sie sich zum Essen einladen lassen – ohne Maske und Plexiglas. Auf jeden Sessionsabend kommen rund ein Dutzend lobbyistische Superspreader-Anlässe. Dann gibt es zum Apéro süffigen Weisswein mit Blätterteiggebäck, Käse und Trockenfleisch, gefolgt von einem Dreigänger aus einem Salat und dem immer gleichen Roastbeef, sodass man sich nach drei Wochen Session Sorgen macht, wie viele Rinderherden wieder für die Politik geopfert werden mussten.

In Hinterzimmern wird infiziert, was die Bar hergibt.

Weil das Lobbyvirus nicht mit hundertprozentiger Garantie bei Speis und Trank übertragen wird, unterbricht der Lobbyist das Mahl zwischen Hauptgang und Dessert und unterstreicht mit seinen Aerosolen, wie schlimm es seiner Klientel gehe und wie entscheidend diese oder jene Abstimmung in der kommenden Woche sei. Wer auf Nummer sicher gehen will, begleitet seine frisch Infizierten nach dem Mahl in die verschwiegeneren Virenhotspots in der Berner Altstadt. In diesen Hinterzimmern wird infiziert, was die Bar hergibt.

Ist der Erreger eine Erregung wert? Mitnichten. Es gehört zur Aufgabe von Politikern, sich mit verschiedenen Viren infizieren zu lassen – und dies mit mehr oder weniger starken Symptomen zu überleben. Dort, wo der Infektion mit einem Vorstands- oder Beiratssitz nachgeholfen wird, muss dies transparent ausgewiesen werden – leider noch ohne die Summe, welche die Injektion gekostet hat. Der Virustest ist dann die Abstimmung. Nicht selten reiben sich die Spreader die Augen, weil die Positivrate unter fünfzig Prozent liegt. In die Quarantäne oder auf die Intensivstation muss aber niemand. Er würde ja das nächste Essen verpassen.