Prägende ÄsthetikDie Schweizer Typografie ist noch immer der Massstab
Aptos wird nach Calibri die neue Standardschrift für Microsoft Office. Gestaltet wurde sie nach dem Vorbild bekannter Schweizer Schriftarten.
Eine kleine Änderung, die uns alle betrifft – auch wenn die meisten Menschen sie kaum bewusst wahrnehmen werden. Es geht um die neue Standardschrift, die Microsoft letzte Woche in Office eingeführt hat. Sie wird bei neuen Dokumenten in Word, Excel und Powerpoint voreingestellt sein und daher automatisch in Millionen von Briefen, Bürounterlagen, Tabellen und Präsentationen Verwendung finden – falls Benutzerinnen und Benutzer keine eigenen Vorlagen nutzen.
Die neue Schrift heisst Aptos. Sie löst die Calibri ab, die bei Windows Vista und Office 2007 auf die Arial folgte. Die Arial war dank der digitalen Textverarbeitung zu globaler Bekanntheit gelangt, obwohl sie einen ausserordentlich schlechten Ruf hatte. Experten erachteten sie als missratene Kopie der Helvetica. Das ist jene Schrift, die noch vor dem Computerzeitalter den Ruf der Schweizer Grafik als stilprägend mitbegründet hat.
Schweizer Schrift und Grafik ist bis heute stilprägend
Das Original ist 1956 in Münchenstein entstanden: Bei der Haas’schen Schriftgiesserei haben Max Miedinger und Edouard Hoffmann die «Neue Haas Grotesk» für den Handsatz in Blei gegossen. Ab 1960 wurde die Schrift auch im Fotosatz verwendet und unter dem neuen Namen Helvetica zu einem Welterfolg: Im öffentlichen Raum diente sie der Beschriftung, namentlich auf den Schildern in der New Yorker U-Bahn. Sie wird von internationalen Unternehmen wie Lufthansa, 3M oder Nestlé als Hausschrift und in Logos verwendet, teilweise bis heute. Damit hat sie sogar die Univers und die Frutiger in den Schatten gestellt: Das sind Werke von Adrian Frutiger, dem bekanntesten Schweizer Schriftgestalter, die am Pariser Flughafen Charles de Gaulle und auf den Distanztafeln an den Schweizer Autobahnen zum Einsatz kommen.
Die neue Schrift Aptos stehe noch immer in der Tradition der «Schweizer Typografie aus der Mitte des 20. Jahrhunderts», schreibt Si Daniels in einem Blogpost. Er ist bei Office verantwortlich für Gestaltungsfragen und erklärt auch die Anforderungen an die neue Schrift. Sie solle scharf und wie aus einem Guss wirken und auch auf Bildschirmen gut lesbar sein. Darum hat Microsoft 2021 fünf neue Schriften in Auftrag gegeben und sich gut zwei Jahre Zeit gelassen, um den Favoriten zu küren. Gewonnen hat nun der Designer Steve Matteson, der schon früher Schriften für Microsoft entwickelt hatte: die Original-Truetype-Schriften und die Segoe, die mit Windows Vista eingeführt wurde.
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Bemerkenswert ist, dass die Aptos für ihre Premiere als Standardschrift in Office einen neuen Namen erhalten hat. Ursprünglich hiess sie Bierstadt – eine Wortkreation, die zumindest bei den deutschsprachigen Nutzerinnen und Nutzern zu wenig Gravitas vermittelt hat. In seinem Blogpost bekräftigt Si Daniels, dass «Bierstadt» im Schriftmenü als Eintrag erhalten bleibe, und ergänzt: «Bitte lassen Sie sich gesagt sein, dass für einige von uns Bierstadt für immer in unseren Herzen weiterleben wird.»
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