Ferien in Kriegszeiten Die Schweizer Reisebranche hofft und bangt
Erst die Pandemie, dann Putins Angriff auf die Ukraine: Vor der Sommersaison bleiben Schweizer Reiseveranstalter flexibel und vorsichtig optimistisch.
Der Start ins neue Jahr verlief für die helvetischen Reiseveranstalter verheissungsvoll. Seit Januar gehört für Geimpfte oder Genesene die Testpflicht bei der Rückreise in die Schweiz der Vergangenheit an. Am 16. Februar 2022 der nächste Freudentag: Der Bundesrat hob die meisten Massnahmen komplett auf, und auch in vielen Feriendestinationen wurde laufend gelockert.
Für die pandemiegebeutelte Branche waren dies mehrere wichtige Schritte auf dem Weg zurück zur Normalität. Die allgemeine Entspannung wirkte sich positiv auf das Interesse an Reisen in Europa aus: «Hotelplan Suisse verzeichnete seit Mitte Januar einen starken Anstieg von Neubuchungen. Zwischenzeitlich lagen die Zahlen auf dem Niveau von 2019», sagt Tim Bachmann, CEO Hotelplan Suisse. Auch TUI Suisse erreichte in manchen Wochen die Buchungen von 2019.
Ähnlich tönt es bei DER Touristik Suisse, zu der Marken wie Kuoni oder Helvetic Tours gehören: Die Nachfrage sei in der jüngsten Vergangenheit zwar nicht sprunghaft angestiegen, vielmehr sei Woche für Woche ein zunehmendes Buchungsvolumen zu beobachten gewesen, so CEO Dieter Zümpel. «Gerade für Destinationen im Mittelmeerraum, in Nordwest- oder in Zentraleuropa präsentierte sich die Buchungslage in den ersten Wochen des Jahres gut – noch nicht ganz auf 2019er-Niveau, aber signifikant besser als 2020 und 2021.»
Erste Annullationen und Umbuchungen
Doch das Durchatmen und die Hoffnung auf Normalität waren nicht nur für die Reisebranche von kurzer Dauer. Der Krieg in der Ukraine brachte das Weltgeschehen erneut durcheinander. «In dieser Zeit an so etwas Unbeschwertes wie Ferien zu denken, fällt schwer», sagt Philipp von Czapiewski, Managing Director bei TUI Suisse. Und so treffen bei allen drei Reiseveranstaltern erste Annullationen oder Umbuchungen aufgrund der unsicheren Lage ein, ebenso beobachtet man einen leichten Buchungsrückgang.
Die Lockerungen der Massnahmen haben sich nicht nur auf die Reiselust, sondern auch auf das Buchungsverhalten ausgewirkt.
Reisen nach Russland oder in die Ukraine sind selbstredend kein Thema, doch das Massengeschäft spielt sich eh in andern Regionen ab. Zur den beliebtesten Destinationen im Frühling gehören bei Hotelplan Suisse die Kanarischen Inseln. Im Sommer zieht es die Kundinnen und Kunden insbesondere nach Griechenland, etwa auf die Inseln Kreta, Kos und Rhodos, sowie nach Zypern und Spanien. Die Kanaren stehen auch bei Kuoni hoch im Kurs, ebenso die klassischen Badeferiendestinationen im Mittelmeerraum. Bei TUI Suisse sind die griechischen Inseln, allen voran Kreta, Rhodos und Kos, sowie die Balearen mit Mallorca, Ibiza und Menorca und darüber hinaus die Südtürkei gut gebucht.
Die Lockerungen der Massnahmen haben sich nicht nur auf die Reiselust, sondern auch auf das Buchungsverhalten ausgewirkt. Auffallender Trend hierbei: «Wir stellen fest, dass nicht mehr nur kurzfristig gebucht wird. Die Kundinnen und Kunden trauen sich wieder zu, Reisen mehrere Wochen oder sogar Monate vorab zu planen», konstatiert Dieter Zümpel von DER Touristik Suisse. Eine mögliche Erklärung dafür: Viele würden von Flex-Angeboten, die man unter bestimmten Umständen bis ganz kurz vor der Abreise kostenlos umbuchen oder stornieren könne, Gebrauch machen. Solche Flex-Optionen, die während der Pandemie kreiert wurden, gibt es auch bei Hotelplan Suisse und TUI Suisse.
Run auf Reisebüros
Seit Beginn der Pandemie ist ein weiterer Trend zu beobachten. Es zieht wieder mehr Leute in die Reisebüros. So konnte etwa Kuoni in den Filialen gemäss einer Auswertung den Neukundenanteil zwischen 2019 und 2021 von 37,3 auf 50,2 Prozent steigern. Abklärungen wegen sich rasch verändernder Reisebestimmungen und gesundheitlicher Bedenken oder Fragen nach finanzieller Absicherung im Falle einer Erkrankung führten eine bisher vermehrt eigenständig buchende Kundschaft zurück an die Desks der Reiseberaterinnen und -berater.
Auch bei TUI Suisse zeigt man sich mit dem Andrang in den Filialen zufrieden: «Der Bedarf nach persönlicher Beratung ist während der Pandemie klar gestiegen, ebenso nach Betreuung vor und während der Reise», so Philipp von Czapiewski.
«Der Bedarf nach persönlicher Beratung ist während der Pandemie klar gestiegen.»
Die Buchungen seit Anfang Jahr deuten auf ein gutes Jahr 2022 für die Reisebranche hin. Eine konkrete Prognose ist aufgrund des russischen Überfalls auf die Ukraine kaum möglich. Welche längerfristigen Auswirkungen Putins Krieg auf das Buchungsverhalten der Kundinnen und Kunden haben werde, sei derzeit nicht abschätzbar, so Tim Bachmann von Hotelplan Suisse.
Trotzdem rechnet man mit deutlich besseren Ergebnissen als noch 2020 und 2021. TUI Suisse prognostiziert für den Sommer eine Volumensteigerung gegenüber dem Vorjahr, für einzelne Ferienziele gar ein Buchungsvolumen auf Vorkrisenniveau. Und bei DER Touristik Suisse geht man von einer deutlichen Ergebnisverbesserung im Vergleich zu 2021 und erst recht zu 2020 aus.
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