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Intervention des Erdogan-Regimes
Die Schweiz zeigt der Türkei die kalte Schulter

Der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis (links) war 2019 zu Besuch beim türkischen Amtskollegen Mevlut Cavusoglu.
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Es kommt äusserst selten vor, dass ein ausländischer Staat von der Schweiz verlangt, eine Veranstaltung zu verbieten. Noch seltener ist, dass ein solcher Staat dazu steht.

Die Türkei indes tut genau dies. Die türkische Botschaft in Bern bestätigt, dass sie wegen des Ende September in Genf abgehaltenen «Turkey Tribunal» bei der Eidgenossenschaft intervenierte. «Wir verlangten, dass die Schweizer Behörden eine solche Veranstaltung nicht erlauben», antwortet eine in der Schweiz akkreditierte türkische Diplomatin auf eine Anfrage dieser Zeitung. Auch bei den Vereinten Nationen sei man deswegen vorstellig geworden.

Das EDA will sich nicht einmischen

Das von zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren organisierte Genfer Tribunal hat eine Woche lang Menschenrechtsverletzungen der Türkei dokumentiert. In Genf berichteten Kurdinnen und Kurden und Angehörige der religiösen Gülen-Bewegung, wie sie verfolgt, gefoltert und verschleppt wurden.

Im Rapport des Tribunals, einer Art Anklageschrift, ist auch die verhinderte Entführung eines schweizerisch-türkischen Geschäftsmannes aus dem Kanton Zürich dokumentiert. (Lesen Sie hier die Äusserungen des Opfers.) Dieser Fall aus dem Jahr 2016 und die willkürlich anmutenden Inhaftierungen mehrerer in der Schweiz niedergelassener Personen in der Türkei im selben Zeitraum hatten zu diplomatischen Spannungen zwischen den beiden Staaten geführt.

Das schweizerische Aussendepartement (EDA) protestierte damals scharf wegen der im letzten Moment aufgeflogenen Verschleppung. Aussenminister Ignazio Cassis schob einen Besuch in Ankara bis 2019 hinaus und kritisierte dann dort 2019 die Menschenrechtslage im Land.

Nun reagiert die Schweiz vergleichsweise zurückhaltend auf die Forderung der Türkei nach einem Verbot des Genfer Tribunals. Das Aussendepartement macht aber deutlich, dass es für den Bund zu keinem Zeitpunkt infrage kam, bei den Organisatoren zu intervenieren. «Da es sich bei diesem Tribunal in Genf um eine private Veranstaltung handelt, äussert sich das EDA nicht dazu», sagt Sprecher Pierre-Alain Eltschinger.

Systematische Folter

Für den türkischen Staat ist das Tribunal ein «theatralisches Set-up». Die türkische Botschaft in Bern schreibt, es sei «gesponsert und geleitet von der Fethullah-Gülen-Terroristenorganisation», die hinter dem gescheiterten, aber blutigen Putsch von 2016 stehe. Es missbrauche Regeln und Werte einer demokratischen Gesellschaft.

Die Organisatoren weisen alle diese Vorwürfe von sich. «Wir alle haben die moralische Pflicht, Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen nachzugehen», betont der Koordinator des Tribunals, der ehemalige belgische Minister Johan Vande Lanotte. Die Veranstaltung in Genf sei durch Crowdfunding mit Beiträgen von über 200 Personen organisiert worden.

Die Richterinnen und Richter des Tribunals, Rechtsprofessorinnen und -professoren aus mehreren Ländern, sind nach einer Woche Verhandlung zum Schluss gekommen, dass es in der Türkei «systematischen und organisierten Einsatz von Folter» gegen Frauen und Männer gibt, welche – zum Teil nur angeblich – Kurdinnen und Kurden und die Gülen-Bewegung unterstützen. Der türkische Geheimdienst MIT und andere Staatsvertreter liessen, so eine weitere Feststellung, Menschen verschwinden.

Falsche Vorwürfe zum Genfer Hotel

Die Türkei machte auch Druck auf das Hotel in Genf, in dem der Anlass stattfand. Die Botschaft in Bern behauptete unter anderem, die Tribunal-Organisatoren hätten Räume im Intercontinental gebucht, indem sie sich als syrische Flüchtlinge ausgaben, was deren «unmoralische Motivation» offenlege.

Um dieser gemäss den Organisatoren «lächerlichen Anschuldigung» zu begegnen, veröffentlichte Koordinator Vande Lanotte Unterlagen. In einer Buchungsbestätigung bedankt sich Intercontinental beim «Turkey Tribunal» für die Reservation.