Mamablog: Unterhaltsregelung bei ScheidungDie Schweiz will keine Hausfrauen mehr – ja und?
Die neue Ehe-Rechtsprechung entzweit die Schweiz. Unsere Autorin sagt, warum wir uns das kollektive Hyperventilieren sparen sollten.
Mal ehrlich: Ist ein sachlicher Diskurs noch möglich in diesem Land, wenn es um Geschlechter geht? Das frage ich mich, wenn ich mir die Debatte um ein Urteil des Bundesgerichts zur Unterhaltspflicht nach einer Scheidung anschaue. (Lesen Sie dazu auch diesen Mamablog-Beitrag sowie die Kommentare dazu.)
Was wird da nicht alles hineininterpretiert. Antifeminismus sei das, der sich als Feminismus tarne. Der Entscheid eines Altherren-Gremiums, das sich um die Realität schert. Konstellationen werden vermischt: Paare mit unterstützungspflichtigen Kindern und ohne; Paare, die Teilzeit arbeiten und solche mit strikter Rollenteilung. Und fundamentale Prinzipien einer Scheidung, wie die Teilung von Vermögen und Alterskapital, werden einfach ignoriert.
Da sind sie wieder, Mann und Frau, diese fixen Rollen, die wir doch loswerden wollen!
Vorher, tönt es dann von den einen, war der Mann der Depp. Er musste nach der Scheidung blechen. Jetzt, sagen die anderen, sei die Frau die Betrogene. Da sind sie wieder, Mann und Frau, diese fixen Rollen, die wir doch loswerden wollen!
Ablauf einer Garantie
Mit der Realität der Rechtsprechung hat das wenig zu tun. Sie ist ungleich unspektakulärer: Künftig wird bei einer Scheidung genau geprüft, welche Berufsaussichten jene Person hat, die sich vorher um die Familienarbeit gekümmert hat. Das kann, muss aber nicht die Frau sein. Bis dato galt in der Schweiz eine Art Unterhaltsgarantie. Blieb eine Person fünf bis sieben Jahre zu Hause und sorgte für Haushalt und Kinder, hatte sie bei einer Scheidung Anspruch auf die Beibehaltung des ehelichen Lebensstandards.
Diesen Automatismus hat das Bundesgericht de facto abgeschafft. Wie bei jedem Paradigmenwechsel lösen neue Ungerechtigkeiten alte ab. Zumindest potenziell, denn die obersten Richter betonen, dass jeder Fall für sich angeschaut werden müsse. Dass jemand, der nach drei Jahrzehnten Hausarbeit keine Chancen mehr auf dem Arbeitsmarkt hat, keinen Unterhalt erhält, sollte es genauso wenig geben, wie dass jemand keine Arbeit mehr anfängt, nur um den oder die Ex zahlen zu sehen. Sprich: Gerechtigkeit zu finden, wo dies Paare nicht schaffen, bleibt Auftrag der Gerichte.
Diese betreiben mit ihrer Rechtsprechung auch keine Gesellschaftspolitik, wie vereinzelt behauptet wurde. Sie reagieren auf eine veränderte Realität. Die Schweiz ist eine Ausbildungsgesellschaft. Dass Frauen – oder Männer – nach neun obligatorischen Schuljahren, einer Lehre, einer Matura, nach einer Fachhochschule oder dem Studium an der Uni vor der Pensionierung aus dem Beruf ausscheiden, ist weder im Interesse der Gleichstellung, noch der Volkswirtschaft.
Das Ende der Hausfrauen
Wenn jetzt die Klage laut wird, die Schweiz wolle keine Hausfrauen mehr, dann ist das nicht ganz falsch. Bloss, was soll die Empörung? Warum sollte, wer sich in den ersten Jahren ganz den Kindern widmen will, ob Mann oder Frau, bei Schuleintritt oder beim Beginn der Pubertät nicht in die Arbeitswelt zurückkehren? Das war doch schon in unserer Elterngeneration verbreitet.
Wir leben nun also in einer Welt, in der jene, die nach der Familiengründung partout keine Erwerbsarbeit mehr suchen wollen, das Risiko eingehen, bei einer späteren Scheidung einen Beruf unter ihren Qualifikationen ausüben zu müssen. Na und?
Alles ist legitim, wenn ein Paar gemeinsame Vorstellungen umsetzt.
Es ist entlarvend, dass sich darüber vor allem gut ausgebildete Mittelstandsmütter und allenfalls -väter aufregen. Sind die Kinder da, wird ihre Doppelbelastung gross. Dazu kommt der natürliche Wunsch, sie aufwachsen zu sehen. Aber auch andere Dinge spielen mit. Der Nachwuchs ist Statussymbol und Projektionsfläche; man will nichts dem Zufall und anderen überlassen. Da ist die Versuchung gross, aus dem Berufsleben fürs erste auszusteigen. Im gut ausgebildeten Mittelstand kann man sich das leisten – und regt sich dann vorsorglich darüber auf, dass man in zwei Jahrzehnten bei einer Scheidung übervorteilt werden könnte.
Letztlich gehts um dich!
Junge Frauen, ja junge Paare sollten sich davon nicht den Kopf vernebeln lassen. Sie müssen ihr Familienleben gemeinsam planen und Erwerbsarbeit, Kinderbetreuung und Haushalt so aufteilen, wie es für beide stimmt, ob nun ganz gleichberechtigt oder asymmetrisch. Teilzeitpensen, ein zeitweiliger Austritt aus dem Berufsleben, am besten mit einer gleichzeitigen Absicherung über die dritte Säule – alles ist legitim, wenn ein Paar gemeinsame Vorstellungen umsetzt.
Ein Ausscheiden aus dem Beruf aber? Das sollte man sich gut überlegen. Nicht im Hinblick auf eine spätere Scheidung und auch nicht, weil man damit die Gleichstellungsnorm ritzt. Ob Mann oder Frau, es geht letztlich um einen selbst. Ohne die Familienarbeit abzuwerten: Einen Beruf zu haben, gibt Selbstvertrauen. Und ein Umfeld. Das ist schon lange kein Privileg der Männer mehr. Ein Beruf macht einen nicht nur finanziell, sondern auch als Person unabhängiger. Und nichts ist besser als aus freien Stücken zusammen zu sein – und falls es doch bricht, auf Augenhöhe auseinander zu gehen.
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