Kommentar zum BoomDie Schweiz sollte schleunigst in Nachtzüge investieren
Nachtzüge sind populär. Trotzdem stagniert das Angebot, und Verspätungen und Ausfälle verärgern Reisende. Die Politik sollte nun alle Hebel in Gang setzen.
Eines ist klar: Dass Billigairlines nach der Jahrtausendwende das Geschäft mit den Nachtzügen ruinierten, dagegen konnten auch die europäischen Bundesbahnen nichts tun. 2009 verabschiedeten sich die SBB aus dem Geschäft, wegen mangelnder Nachfrage und der «nicht mehr zeitgemässen Qualität des Angebots». 2016 tat es ihnen die Deutsche Bahn gleich.
Heute sieht die Situation komplett anders aus. Das Reisen mit dem Nachtzug ist beliebt.* Nach dem Rekordjahr 2022 (eine halbe Million Menschen reisten mit dem Nachtzug in die oder aus der Schweiz!) bahnt sich für das laufende Jahr ein neuerlicher Rekord an.
Trotzdem bleibt das Angebot seit vier Jahren praktisch unverändert. Ärger wegen häufiger Verspätungen und kurzfristig gestrichener Wagen ist die Regel. So will man die Menschen zum Umsteigen auf den klimaschonenden Zug bewegen? Sicherlich nicht!
Will sich die Schweiz nach dem Ja zum Klimaschutzgesetz nun wirklich zu den Klimazielen bekennen, muss sie nun alles daransetzen, in die Nachtzüge zu investieren.
Die SBB verstecken sich stets hinter dem Argument, dass es ein «teures, sehr aufwendiges Produkt» ist, wie Verwaltungsratspräsidentin Monika Ribar unlängst zu dieser Zeitung sagte. Ohne Druck des Parlaments, das ab Herbst über das revidierte CO₂-Gesetz und damit über Millionenbeiträge für den internationalen Fernverkehr berät, wird sich nichts bewegen.
Will sich die Schweiz nach dem Ja zum Klimaschutzgesetz nun wirklich zu den Klimazielen bekennen, muss sie nun alles daransetzen, in die Nachtzüge zu investieren.
Dass sich das lohnt, zeigt das Beispiel der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Sie sind der Motor des europäischen Nachtzugnetzes und investieren kräftig weiter. Was nicht zuletzt daran liegt, dass der Staat den Fernverkehr ordentlich mitfinanziert.
Das Geschäft schont nicht nur das Klima, es scheint auch zu rentieren. Kürzlich haben die ÖBB 33 neue Nachtzüge bestellt. Und bieten mit «Mini Cabins» für Alleinreisende oder mit Platz für Velos oder Ski den Menschen noch mehr Anreize, um auf den Flug zu verzichten.
*In den 1980er Jahren gab es wesentlich mehr Nachtzugverbindungen als heute, daher war laut der SBB das Angebot und auch die Nachfrage grösser. Doch haben die SBB keine Daten dazu, wie viele Passagiere damals die Nachtzüge benutzt haben.
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