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Nachtzug im Test
Im Schlaf nach Amsterdam fahren

Luka Maximilian Struzka ist Zugchef und Serviceleiter auf der seit 12. Dezember 2021 bestehenden Nachtverbindung in die niederländische Hauptstadt.
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Die Nachtzüge werden gerade Opfer des eigenen Erfolgs: Auf Gleis 15 im Hauptbahnhof Zürich wartet statt eines modernen Doppelstöckers ein Schlafwagen, den man eher weit hinten im Depot vermutete. Das rollende blaue Hotel mit dem roten Streifen vom Typ WLABmz AB33s gehört zum Wagenpark der deutschen Firma RDC Asset und wird von den SBB gemietet. Eine Übergangslösung, bis Nightjet-Betreiber ÖBB auch auf neuen Strecken modernes Rollmaterial einsetzen kann. Freilich, das anfängliche Unbehagen schlägt bald in nostalgische Gefühle um: Das Zweier-Abteil (das dritte Bett bleibt eingeklappt) ist geräumiger als eine Economy-Kabine in den Siemens-Doppelstöckern, die nachts etwa zwischen Zürich und Hamburg verkehren. Es ist kein Problem im charmanten Oldie zwei kleine Koffer unterzubringen. Waschbecken, Schrank, Sessel, Tischchen – alles da!

Nur für die Kletterpartie ins obere Bett braucht es etwas Mut und Geschick. Wie zu Hause schliesst man die Tür zum ebenerdigen schmalen Flur mit einem richtigen Schlüssel, der vor dem Aussteigen von der Nachtstewardess resolut wieder eingesammelt wird.

Luka Maximilian Struzka fährt die Strecke von Zürich über Basel, Frankfurt am Main, Köln nach Utrecht und Amsterdam regelmässig. Der 35-jährige Tscheche ist Zugchef und Serviceleiter auf der seit 12. Dezember 2021 bestehenden Nachtverbindung in die niederländische Hauptstadt. In der Nacht zuvor reiste er mit dem «Wiener Walzer» von der Donau nach Zürich, in der nächsten Nacht beschliesst er die Dreiecksfahrt auf der Strecke Amsterdam – Wien.

Zweimal eine Viertelstunde Pause

Arbeitet er gerne, wenn andere schlummern? «Ich liebe diesen Job», sagt der Familienvater, «Ich wollte immer nur für die Eisenbahn arbeiten». Als Serviceleiter bleibt Struzka die ganze Nacht wach, er macht zweimal eine Viertelstunde Pause – mehr Ruhezeit liegt nicht drin.

Neben ihm arbeiten in den zwei Schlaf- und drei Liegewagen nach Amsterdam noch vier weitere Kolleginnen und Kollegen, als Nachtsteward und Housekeeper. Letztere dürfen sich für sechs Stunden zur Ruhe betten, dafür müssen sie nach der Ankunft in Amsterdam Central Station die Wagen putzen und die Betten neu beziehen. Struzka dagegen checkt in einem Hotel ein. Er ist neben seiner Chefrolle auch zur Basisarbeit in einem Liegewagen eingeteilt. Dort betreut er die Passagiere, weckt sie und reicht das Frühstück. Obwohl das Tabblett mit dem Zmorge auf holländischem Terrain kurz nach Arnhem ins Abteil gebracht wird, fühlt man sich ein wenig wie in Felix Austria: Die Semmel erinnern an ein Wiener Café, auf der Butter und dem Joghurt prangt der Schriftzug einer Salzburger Molkerei.

Wer im Nachtzug anreist, hat in Amsterdam den ganzen Tag und die ganze Nacht noch vor sich.

Wer abends Hunger verspürt, muss sich nicht mit den Nüssli begnügen, die neben zwei Sekt-Piccolos und Wasser im Abteil warten. Struzka und sein Team wärmen in der Mikrowelle auf Wunsch Gulaschsuppe, Spaghetti Bolognese oder Erbsenreis mit Poulet. Eine eigentliche Bordgastronomie mit Bar und Sternenhimmel gibt es in den Nachtzügen schon lange nicht mehr, sie ist nicht rentabel.

Ab Ende 2022 wird die ÖBB die Nightjets der neuesten Generation einführen – mit kleinen Suiten in den Schlafwagen, Toiletten selbst in der EconomyClass und einem Niederflureinstieg. Gerade investieren die Österreicher 500 Millionen Euro ins Nachtzug-Business, das sie vor sechs Jahren unter der Marke Nightjet neu aufgebaut hatten. Die ÖBB füllte die Lücke, die nach dem Citynightline-Ausstieg der DB entstanden war. Schweizer und Deutsche sind nun wie Franzosen, Holländer oder Italiener als Kooperationspartner an Bord. Die Klimadiskussion befeuert das Revival der Nachtzüge. Das spüren Reisende, die versuchen, in der Hochsaison im Sommer noch ein fahrendes Bett zu kriegen. Viele Züge sind bereits ausgebucht. 

Der Schlaf in der Koje ist friedlich. Von den vielen Stopps des Zuges, der auch ein IC ist, bekommt man wenig mit. Hier ein Ruckeln bei der Fahrt über Bahnhofsweichen, dort eine ferne Lautsprecherstimme und am Morgen das energische Klopfen der Nachtstewardess. Während draussen Windmühlen, schwarz-weiss gefleckte Kühe auf fetten Weiden und Kanäle vorbeiziehen, tönt es: «In einer guten Stunde treffen wir in Amsterdam ein, gleich bringe ich das Frühstück.» 

Die Reise wurde unterstützt von den SBB und dem Mövenpick Hotel Amsterdam City Centre.