Kommentar zu InvestitionskontrollenDie Schweiz muss in Sachen Übernahmekontrolle nachrüsten
Die geplante Kontrolle von Übernahmen durch Ausländer ist nötig und stellt keine Abkehr von der Marktwirtschaft dar, sondern eher die Hinwendung zur Vernunft.
Das Wort allein tönt nach Sozialismus und scheint so gar nicht zur Schweiz zu passen: «Investitionskontrolle». Auf Druck des Parlaments hin hat der Bundesrat nun ein Gesetz auf den Weg gebracht, mit dem die Regierung die Übernahme Schweizer Unternehmen durch Ausländer prüfen und im Extremfall untersagen darf.
Für hartgesottene Liberale, deren ökonomisches Weltbild in der Zeit von Ronald Reagan und Maggie Thatcher seine Blüte hatte, ist das geplante Gesetz ein Sündenfall. Gerade eine kleine, offene Volkswirtschaft wie die Schweiz sei auf offene Märkte angewiesen, so das landläufige Argument. Daher wäre es falsch, wenn ausgerechnet die Schweiz sich gegenüber dem Ausland abschotten würde.
USA, China, EU haben ähnliche Instrumente
Das Argument lässt sich trefflich umdrehen: Wenn ringsherum alle relevanten Märkte – vom Mutterland des Kapitalismus, den USA, über die EU bis hin zu China – dem Staat bei Firmenübernahmen durch Ausländer ein Vetorecht geben, ist auch die Schweiz gut beraten, sich zu wappnen.
Und das ist auch nicht automatisch gegen China gerichtet. Deutschland zum Beispiel verschärfte Anfang der 2000er-Jahre bereits sein Auslandswirtschaftsgesetz, weil die Regierung damals keine Handhabe dagegen hatte, dass die führende U-Boot-Werft HDW von einem US-Fonds übernommen wurde.
Auch das zweite Gegenargument überzeugt nicht: Kritiker monieren, die vorgestellte Vorlage bleibe vage, nach welchen Kriterien die Verwaltung am Ende entscheiden solle, ob sie eine geplante Übernahme untersagen solle oder nicht.
Diese Unschärfe ist aber nötig und richtig. Denn ein Gesetz kann immer nur den Rahmen setzen, die Idee dahinter ist allerdings klar: dass sich staatlich gestützte Unternehmen aus dem Ausland keine Schweizer Firmen einverleiben können, die für das Land überragende Bedeutung haben. Die Beurteilung solcher Fälle ist naturgemäss komplex und lässt sich vorab daher schlecht kodifizieren.
Letztlich lässt sich das geplante Gesetz mit einer Atombombe vergleichen.
Die Unschärfe hat zudem eine taktische Komponente: Letztlich lässt sich das geplante Gesetz mit einer Atombombe vergleichen. Kein vernünftiger Staat hat Nuklearwaffen, um sie wirklich einzusetzen. Sie sollen potenzielle Angreifer abschrecken. Und wie bei der nuklearen Abschreckung auch ist es für die präventive Wirkung der Investitionskontrolle hilfreich, wenn potenzielle Angreifer etwas im Unklaren sind, wann ein Verbot genau greift und wie scharf dieses Schwert am Ende ist.
«Nationale Sicherheit» als Hebel
Die USA halten es genauso. Hier ist ein interministerielles Gremium namens CFIUS (Committee on Foreign Investment in the United States) für die Investitionskontrolle zuständig. Das CFIUS kann Übernahmen durch Ausländer verbieten, wenn sie die «nationale Sicherheit» gefährden – was ebenfalls ein dehnbarer Begriff ist.
Am Ende kommt es darauf an, wie das Gesetz angewandt wird. Da die Regierung es eigentlich gar nicht will, kann davon ausgegangen werden, dass die Verwaltung die Eingriffsmöglichkeiten äusserst zurückhaltend nutzen wird.
Die Schweiz kennt zudem seit Jahrzehnten Investitionskontrollen: Das «Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland» – besser bekannt als «Lex Koller» – feiert in gut zwei Jahren seinen 40. Geburtstag. Es ist aber unsinnig, eine Kuhwiese vor dem Zugriff ausländischer Immobilienspekulanten zu schützen, kritische Firmen wie beispielsweise den Impfstoff-Fertiger Lonza aber nicht.
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