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Die EU zeigt sich in der Corona-Krise flexibel
Die Schweiz ist jetzt Teil der Familie

Schweizer Reisende werden am Dienstag, 24. März 2020, am Flughafen von Bogota, Kolumbien, von Beamten in Empfang genommen und betreut.
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Der Kontrast könnte nicht grösser sein. Fast schon vergessen der Streit um das Rahmenabkommen und die Meldungen von blockierten Lieferungen mit Schutzmaterial: Die EU habe inzwischen alle Krisentreffen zum Coronavirus auch für die Schweiz geöffnet, heisst es sowohl in Bern als auch in Brüssel. Bundesräte oder Schweizer Beamte sind überall zugeschaltet, wo derzeit auf europäischer Ebene rund um die Uhr die Antwort auf die Epidemie koordiniert wird.

Besonders sichtbar vielleicht bei der Repatriierung von Schweizern und EU-Bürgern aus der ganzen Welt. Über eine Informationsplattform der EU tauschen sich Experten der Mitgliedsstaaten jeden Tag zu geplanten Flügen und freien Plätzen aus. Dabei werden gemeinsam Hotspots identifiziert. Auch ein Vertreter der Schweiz kommuniziert hier täglich geplante Schweizer Rückholaktionen und bekommt umgekehrt Plätze angeboten auf Flügen von EU-Staaten. Die Schweizer seien aktiv dabei, heisst es in Brüssel.

Repatriierungen

Durch das gegenseitige Angebot von Plätzen auf den Sonderflügen könnten möglichst viele verfügbare Rückkehrmöglichkeiten genutzt werden, bestätigt das Krisenmanagementzentrum des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) in Bern.

So haben 700 gestrandete Schweizer von Sonderflügen profitiert, die von anderen europäischen Staaten organisiert wurden. Die EU-Kommission zahlt hier 75 Prozent der Kosten, wenn die Mitgliedsstaaten die Flüge anmelden. Umgekehrt hat die Schweiz rund 1400 ausländische Staatsbürger repatriiert, zum grossen Teil Europäer.

Auf Schweizer Seite sieht man es als grosse Chance, dass die EU hier der Schweiz als Nichtmitglied die Tür geöffnet hat.

Jetzt, da es um kompliziertere Fälle geht, hilft manchmal auch das grössere Gewicht der EU. Es macht einen Unterschied, ob der EU-Chefdiplomat Josep Borrell oder der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis zum Beispiel in Indien bei seinem Amtskollegen Druck macht, Flughäfen zu öffnen oder blockierte Touristen zu den Flughäfen reisen zu lassen, damit sie abgeholt werden können. Auf Schweizer Seite sieht man es als grosse Chance, dass die EU hier der Schweiz als Nichtmitglied die Tür geöffnet hat. Die Zusammenarbeit sei ausgezeichnet und effizient.

Dies gilt dem Vernehmen nach auch für alle anderen Bereiche, wo derzeit koordiniert wird. So ist der Schweizer Botschafter erstmals dabei, wenn der sogenannte Krisenreaktionsmechanismus (IPCR) des Rates auf der Ebene des mächtigen Ausschusses der ständigen Vertreter (AstV) tagt. Das Gremium der EU-Botschafter ist das einzige Forum, das sich derzeit in Brüssel noch physisch trifft, und die eigentliche Schaltzentrale.

Die zuständigen Bundesräte oder ihre Chefbeamten sind ebenfalls bei den informellen Videokonferenzen der Gesundheits-, Innen- und Landwirtschaftsministern zugeschaltet. Dort geht es etwa um die Situation an den Binnen- oder Aussengrenzen oder um die wachsenden Probleme bei den Lieferketten.

Kritische Beschaffung

Zugang hat die Schweiz derzeit auch zu allen Informationen des Frühwarn- und Reaktionssystems (EWRS), das beim Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) in Stockholm angesiedelt ist. Ebenso zum Ausschuss für Gesundheitssicherheit (Health Security Committee), das die nationalen Massnahmen im Kampf gegen das Coronavirus koordiniert.

Die EU zeigt derzeit also viel Goodwill, was auch auf Schweizer Seite anerkannt wird. Unklar ist noch, ob die Schweiz bei den europäischen Beschaffungsaktionen für medizinische Ausrüstung mitmachen kann. Vier Ausschreibungen für die Atemmasken, Beatmungsgeräte und Schutzmäntel laufen bereits.

Möglicherweise kann die Schweiz über einen Drittstaat wie das EWR/Efta-Mitglied Liechtenstein eine Bestellung aufgeben.

Interessant wären für die Schweiz künftige Ausschreibungen zur Beschaffung von Medikamenten, die bei der künstlichen Beatmung nötig sind oder mit Blick auf einen möglichen Impfstoff in den nächsten Monaten. Hier könnte es wichtig sein, im Hinblick auf die Versorgungssicherheit in der Schweiz rechtzeitig einen Fuss in der Tür zu haben.

Möglicherweise kann die Schweiz über einen Drittstaat wie das EWR/Efta-Mitglied Liechtenstein eine Bestellung aufgeben. Bei der EU-Kommission wäre man bereit, hier die Augen zuzudrücken, heisst es in EU-Kreisen.

Flexibel auf Zeit

Die Zusammenarbeit mit der EU sei derzeit sehr gut, heisst es beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) in Bern: „Die aktuelle Krise zeigt, dass eine dauerhafte Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der EU in diesem Bereich sinnvoll wäre.“ Deshalb sei das BAG auch weiterhin daran interessiert, mit der EU ein bilaterales Gesundheitsabkommen abzuschliessen. Die Schweiz müsste dann bei einer nächsten Krise nicht als Bittsteller anklopfen, sondern wäre automatisch dabei.

Die EU hat hier aber immer auf ein institutionelles Rahmenabkommen als Vorbedingung für ein Gesundheitsabkommen gepocht. Dass sich daran nichts ändern dürfte, macht man den Schweizern bei allem Goodwill in Zeiten der Coronakrise deutlich. Der Zugang sei auf die derzeitige Krise befristet, ein institutionelles Abkommen zwingend, wenn die Schweizer dauerhaft mit am Tisch sitzen wollten.