TV-Kritik «Tatort»Die Polizei säuft und philosophiert
Im Frankfurter «Tatort» war der Täter schnell gefasst. Dafür ging es um Grundsätzliches – und einen grossen Kater.
Na, dann Prost! Die Frankfurter Kommissare Janneke und Brix verlustieren sich spätabends auf dem Kommissariat und verputzen Reste eines Empfangs, der vorher stattgefunden hat. Zu feiern gibt es eigentlich nichts, zu begiessen einiges: Die Büroräume werden gerade umgebaut, die Ersatzcontainer sind noch nicht bezugsbereit, die Arbeit ist mühsam. Und zu allem Übel findet auch noch ein Motivationsseminar statt, auf dem Fragen gestellt werden wie: «Was sind Ihre Werte als Polizist?»
Mit Alkohol im Blut ist die Antwort einfach. Die Sekretärin, die mitsäuft, diktiert den Kommissaren schon mal: «Ihr seid die Guten, und ihr fasst die Bösen.» Klar. Dann gibt es noch ein paar Gläser mehr, gesungen wird auch, und geschlafen dann – liegend, k.o. – gleich auf den Büromöbeln. Am andern Morgen folgt das böse Erwachen. Und zwar nicht nur wegen des Rauschs im Kopf. Sondern weil die Werte der Polizei gehörig ins Wanken geraten.
Der Polizist stellt sich gleich selber als Täter
Gelöst ist der Fall eigentlich sofort. Der Polizistenkollege Matzerath, der die Kommissare geweckt und an den Tatort gefahren hat, stellt sich gleich selber als Mörder. Er hat den Mann drinnen in der Waldhütte nicht nur umgebracht, sondern auch gefoltert. Der Getötete hatte nämlich vor Jahren Matzeraths Frau verschleppt und tagelang vergewaltigt. Bewiesen werden konnte ihm nichts – der Polizist wusste sich schliesslich nur mit Selbstjustiz zu helfen. Und verlangt für sich selber ganz nüchtern eine möglichst harte Bestrafung.
Was dem Publikum da in «Die Guten und die Bösen» vorgesetzt wird, entpuppt sich bald als vertrackter Kunstkrimi: endlose Märsche durch die weiss eingekleideten Gänge des sich im Umbau befindenden Kommissariats, philosophische Gespräche mit Restalkohol im Blut auf dem Dach, symbolkräftige Bilder mit Wasser, das überall raustropft. Dazu ein deutscher Schäferhund, der seinem roten Ball – hurra, ein Farbtupfer! – nachjagt. Und eben die Arbeitspsychologin – sie ganz in Gelb –, die auf die Werte pocht.
Rührender Abschied von Hannelore Elsner
Das wäre bald einmal des Guten zu viel. Doch die Inszenierung (Petra K. Wagner) und die trockenen Dialoge (David Ungureit) sorgen immer wieder dafür, dass der «Tatort» die Bodenhaftung nicht verliert. Margarita Broich (Janneke) und Wolfram Koch (Brix) sind in ihrem elften Fall ein wunderbar eingespieltes Ermittlerduo. Peter Lohmeyer ist ein sehr ernsthafter Gegenpol. Und damit ist noch nichts über Hannelore Elsner gesagt.
Dieser «Tatort» ist der grossen deutschen Schauspielerin gewidmet, die vor einem Jahr 76-jährig starb. Es ist eine ihrer letzten Rollen, sie spielt eine längst pensionierte Kommissarin, die sich ab und zu in den Keller ihrer ehemaligen Arbeitsstelle schleicht. Zu Polizeiwerten hat sie natürlich auch einiges zu sagen: Hannelore Elsner bringt sozusagen eine historische Dimension ein, bevor sie ruhig und gelassen für immer von dannen zieht.
Der Kommissar dagegen hat nach diesem aufregenden Tag schon wieder Lust auf ein Bierchen.
Kritik, Rating, Diskussion
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