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TV-Kritik «Tatort»
Ein Vater dreht durch

Eigentlich wollte Louis Bürger ein neues Leben beginnen. Doch er wird zum Geiselnehmer.
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Louis Bürger will nun alles richtig machen. Seiner Frau Anna was bieten, seinem Sohn Tim. Aber dann wird sein Nachbar, ein Polizist, tot aufgefunden. Und der Schlamassel geht wieder von vorn los. Wieder will ihm jemand ein Verbrechen in die Schuhe schieben. Wieder will er es nicht gewesen sein. Oder war ers doch?

Jedenfalls verliert Bürger die Nerven. Seine Frau und er sehen sich gezwungen, eine Geiselnahme im Kinderheim, wo ihr Sohn Tim untergebracht ist, zu starten, ein weiterer Schritt in der Abwärtsspirale, die sich noch lange gnadenlos weiterdrehen wird. Bürgers Verzweiflung fängt die Kamera hautnah ein, mal schaut sie über seine Schultern, dann durch seine Augen, dann scheint sie sich beobachtend an den Rand einer Szene zu setzen, schaut von unten hoch, von oben runter.

Auf zwischenmenschliches Gelaber und plumpe Witze unter jenen, die ermitteln, wird verzichtet.

Schön sind die Bilder, die man in «Die Zeit ist gekommen» sieht, schön auch die Farben, geschmackvoll die Garderobe des glaubwürdig agierenden Casts, die Musik oft leicht elektronisch-hypnotisch. «Tatort», Arthouse-Edition.

Auf zwischenmenschliches Gelaber und plumpe Witze unter jenen, die ermitteln, wird verzichtet. Die Handlung ist spannend genug. Die Geiselnahme dauert an, entgleist immer mehr, bis plötzlich die gefangen gehaltene Leiterin des Kinderheims angeschossen auf dem Boden liegt, neben ihr, ohnmächtig, Ermittlerin Leonie Winkler.

Nach der Geiselnahme geht es weiter Richtung Meer. Das ist zumindest der Plan. Ob er aufgeht?

Die Bürgers? Im Fluchtfahrzeug auf dem Weg nach Kroatien, dazu muss natürlich Balkanmusikgrösse Goran Bregovic laufen, der über die Sonne singt – das Klischee will es wohl so. Ein Punkt Abzug für den Arthouse-«Tatort». Ebenfalls Abzug gibt es für die Jahreszeit, in welcher diese Folge spielt. Die brütende Hitze kommt hervorragend rüber, aber steht in einem etwas zu grossen Kontrast mit der Realität vor der eigenen Tür.

Während man also mitschwitzt, lernt die Familie auf ihrer Flucht das kroatische Wort für Sonne – «sunce» –, und Kommissariatsleiter Schnabel kommt dahinter, wer den Polizisten umgelegt hat. «Endlich den verhassten Schwager loswerden», ihm einen Raumord unterschieben. Dabei wollte der Mörder doch nur das Beste für den Sohn von Louis Bürger – einen besseren Vater. Sich anstatt Bürger.

Kurz vor Ende befürchtet man dann das Schlimmste. Doch da wird zum Glück nochmals die Arthouse-Keule hervorgezogen. In weichem Licht und zu säuselnder Musik lässt Bürger erst die Familie aus dem Auto steigen und legt dann die Waffe weg.

Die schönen Bilder am Schluss hat man sich verdient, nachdem man den Nervenkrieg eineinhalb Stunden mitausgesessen hat und danach in einem gefallenen Netz aus falscher Nächstenliebe, Egoismus, Trost, Enttäuschung und unglücklichen Umständen zurückgelassen wird.

Kritik, Rating, Diskussion

Lesen Sie stets nach dem «Tatort»-Film die Kritik und das Rating der Kulturredaktion – und beurteilen Sie den Film selbst.