Kolumne «Tribüne»Die politische Schweiz schwächelt nicht nur in der Pandemie
Valentin Vogt, Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbands, ärgert sich, dass die Schweiz nicht besser sein will als alle anderen.
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Diesen Sommer können wir mit einer guten Portion Zuversicht darauf hoffen, dass wir am Anfang des Endes der Corona-Krise stehen. Jetzt müssen wir mit den Aufräumarbeiten beginnen. Wenn man sich die Geschichte der Pandemien vergegenwärtigt, werden die Aufräumarbeiten etwa zwei Jahre dauern.
In dieser Zeitspanne müssen die richtigen Lehren aus der Krise gezogen werden. Ohne eine schonungslose Aufarbeitung riskieren wir in unserer direktdemokratischen Schweiz einen generellen Verlust von Vertrauen. Dann wäre zu befürchten, dass sich gerade unsere leistungsstarke Mittelschicht von der Politik entfremdet. Es wäre fatal, wenn diese tragende Säule unserer Gesellschaft in einer Art Post-Pandemie-Privatismus bloss noch für sich selbst sorgen und der Politik die kalte Schulter zeigen würde. Den Schaden davontragen würden die sozial Verletzlichen, die auf die Politik besonders angewiesen sind.
Die politische Schweiz schwächelt aber nicht nur in der Pandemie. Schon vor der Seuche hat der Wille gefehlt, besser zu sein als alle anderen. Zu dieser Selbstgefälligkeit addiert sich häufig eine schwammige Moral. Es ist symptomatisch, dass sich die Arbeitgeber vermehrt mit Ideen herumschlagen müssen, die bestenfalls gut fürs Gewissen sind, aber zweifellos schlecht für den Wohlstand.
Obrigkeitliche Lohnpolizei, Frauenquoten, Mindestlöhne, Vaterschaftsurlaub und jüngst die Vorstösse zu einem Elternurlaub sind der Ausdruck einer volkserzieherischen Wohlfühlpolitik, die Wohlstand als ewig währendes Naturgesetz einfach voraussetzt. In Wahrheit wird jedoch der Wirtschaftsstandort geschwächt – und dies erst noch durch eine Rechtfertigungsbürokratie, die weder in den Köpfen und schon gar nicht in den Herzen ankommt.
Eine wirtschaftsfeindliche Politik ist der falsche Ansatz, um krisenresistenter zu werden. Die Corona-Pandemie hat nämlich kristallklar vor Augen geführt: Nur mit einer starken Wirtschaft im Rücken war der Staat in der Lage, Einkommenseinbussen abzufedern. Wenn wir uns besser für den nächsten Störfall wappnen wollen, müssen wir unsere Wirtschaft also widerstandsfähiger machen, statt sie zu schwächen.
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