Analyse zur Macht der SymboleDie Politik der Gummistiefel
Wenn Donald Trump auf einem seiner Golfplätze über das Leiden der Amerikaner redet, missachtet er ein Prinzip der Politik: Die Inszenierung.
Seine erneute Kandidatur als Präsident will Donald Trump im Süden erklären, in einer einst umkämpften Stadt des Sezessionskrieges. Damit wird Ideologie zur Geografie: Make White America Great Again. Darauf sind seine Rhetorik, seine Handlungen und die ganzen Auftritte hin angelegt. Der schwindenden weissen Mehrheit im Land, die schon bald von den Schwarzen, Latinos und anderen Bevölkerungsgruppen minorisiert wird, das Herrschaftsprimat zu garantieren.
Noch vor wenigen Tagen bewies Trump, der grosse Selbstinszenierer, erstaunliches szenisches Ungeschick: Ausgerechnet von einem seiner vielen Golfplätze aus erklärte er, wie er den armen und kranken Amerikanern helfen möchte. Und dass beim Umgang mit der Corona-Pandemie alle Schuld trügen ausser ihm.
Sie haben eine enorme Wirkung auf die Einschätzungen der Wählerschaft: die politische Geste, der achtlos sorgfältig geäusserte Satz, die Umarmung, der Händedruck, der Kniefall, die Garderobe. Selbst bei einem Fernsehduell, in dem vor allem geredet wird, entscheidet die Körpersprache zu achtzig Prozent über den Eindruck, den ein Kandidat oder eine Kandidatin beim Publikum hinterlässt.
Gerhard Schröder gewann die Bundestagswahl von 2002 gegen Edmund Stoiber vermutlich in dem Moment, in dem er in Gummistiefeln das von der Elbe geflutete Deutschland durchwatete, während Stoiber sich die Katastrophe vom Helikopter aus ansah. Richard Nixon verlor gegen John F. Kennedy auch deshalb, weil er bei der Debatte schwitzte, das wirkte überfordert. Adolf Ogi schadete seinem Einsatz gegen die Alpeninitiative am meisten selber; er wirkte in der «Arena» vom 4. Februar 1994 unbeherrscht und arrogant, während der Urner Regierungsrat Hansruedi Stadler, zum ersten Mal im Fernsehen, den schlauen Bergler spielte. Ogi wurde zum Gessler.
Unvergessen der Handschlag von Helmut Kohl und François Mitterrand vor den Gräbern von Verdun. Bewegend der Kniefall von Willy Brandt beim ehemaligen Warschauer Ghetto. Erschütternd das «Amazing Grace» von Barack Obama, gesungen an der Trauerfeierlichkeit für die neun Afroamerikaner, die von einem 21-Jährigen weissen Rechtsextremen in einer Kirche erschossen worden waren. Kalkuliert frech die Turnschuhe, in denen sich Joschka Fischer als erster grüner Minister vereidigen liess (er trug sie nur dieses eine Mal, sie stehen seither im Ledermuseum von Offenbach). Von einer Ovation gefeiert das «Ich bin ein Berliner» von John F. Kennedy, ein Satz, der im letzten Moment in seine Rede eingefügt worden war und dessen Aussprache Kennedy mehrmals üben musste.
Man kann es mit der Überkonkretisierung der Politik auch übertreiben. Angewidert erinnert man sich an «Joe the Plumber» beim Wahlkampf zwischen Barack Obama und John McCain. Samuel Joseph Wurzelbacher, wie der kahle Klempner heisst, ein Republikaner mit politischen Ambitionen, bekam 2008 seine 15 Minuten Ruhm, als er Obama mit dem Vorwurf konfrontierte, dessen Steuerpolitik würde ihm als kleinem Unternehmen schaden. Barack Obama antwortete umständlich, dafür entdeckten John McCain, Sarah Palin und die Republikaner ihre Liebe zur Klempnerei. Joe wurde medial zum Stellvertreter Amerikas gestemmt.
Dann noch lieber ein Berliner.
Fehler gefunden?Jetzt melden.