Analyse zu den Impstoff-ProfitenDie Pharmaindustrie macht Kasse – und das ist wunderbar
Die Milliardengewinne der Impfstoffhersteller sind Gewinne für uns alle.
Bei Traumreisen stösst man wenig Aerosole aus, und die menschlichen Kontakte sind auf null reduziert, ganz wie es den Virologen gefällt. Traumreisen sind also die ideale Reiseform in der Pandemie, und sie erlauben, sich Folgendes vorzustellen: Wie sähe die Welt aus, wenn der Impstoffentwickler Biontech im ersten Quartal 2021 nicht rund eine Milliarde Franken Gewinn gemacht hätte, sondern 100 Milliarden Franken? Wenn also die Welt im Vorjahr entschieden hätte, die Impfstoffhersteller mit Geld zu übergiessen.
300 Milliarden Euro für die Pharmaindustrie – ist das nicht verrückt?
Von dem vielen Geld hätten die anderen Impfstoffhersteller ebenso profitiert: Der US-Konzern Moderna, der einen unter anderem in der Schweiz produzierten mRNA-Impfstoff entwickelt hat, käme also nicht auf einen Quartalsgewinn von umgerechnet einer Milliarde Franken, sondern auf 100 Milliarden Franken. Und AstraZeneca soll in dieser Traumwelt bitte auch 100 Milliarden Franken Gewinn machen. In der Realität hat das Unternehmen übrigens verkündet, mit dem Impfstoff keinen Gewinn machen zu wollen.
300 Milliarden Euro für die Pharmaindustrie – ist das nicht verrückt, Konzernen und ihren Eigentümern so viel Geld zu wünschen? Nein. Denn die Schäden der Pandemie sind zigfach grösser. Sie werden nicht in Milliarden gemessen, sondern in Billionen. Und je mehr Impfstoff verspritzt wird, desto geringer wird der Schaden. Jeder Euro, den Biontech als Gewinn verkündet, ist ein Gewinn für die gesamte Gesellschaft. Das müssen auch alle eingestehen, die Konzernen eigentlich nicht über den Weg trauen und Krankheiten sonst lieber nicht mit den Produkten der Pharmaindustrie lindern, sondern mit einem Tee aus Gartenkräutern.
Gewiss: Pharmabranchenkennerinnen sind skeptisch, ob mehr Geld für die Impfstoffhersteller die Zahl der verfügbaren Dosen gesteigert hätte. Denn Kapital ist nicht der einzige Faktor, es braucht Wissen, Fachkräfte, Materialien. Aber selbst wenn lediglich eine Produktionsstätte mehr hätte geschaffen werden können, hätte sich ein Mehr an staatlichen Ausgaben für Impfstoffe ökonomisch schon gelohnt. So immens sind die Folgeschäden der Seuche.
Am Geld darf der Kampf gegen den Keim nicht scheitern.
Es ist immer gefährlich, mit einem grossen Sack Geld in Verhandlungen zu gehen. Das schwächt die eigene Verhandlungsposition und lockt dubiose Geschäftemacher an. Das Maskendebakel zeigt genau das. Allerdings ist eine Maske schneller genäht als ein Impfstoff gemischt. Und zwickt die Maske, ist das weniger schlimm, als wenn ein Impfstoff verunreinigt wäre. Aber ein Restrisiko bleibt immer, wenn Staaten Hunderte von Milliarden in Aussicht stellen (beispielsweise kommt ein Wladimir Putin und versucht, Geopolitik mit Sputnik V zu machen).
Doch das Dilemma ist lösbar, zumindest für die nächste Seuche: Programme für Pandemie-Impfstoffe können über staatliche Schulden finanziert werden. Das hat zwei Vorteile. Erstens lässt sich so viel mehr Geld mobilisieren als über knappe Staatskassen. Und zweitens sind die Summen wiederum nicht grenzenlos. Die Finanzmärkte können als Kontrollinstanz wirken, die durch steigende Zinsen signalisieren, wann Schulden zu hoch werden. Auch diese Variante wäre natürlich nicht perfekt, aber Perfektion ist in einer Pandemie schwierig. Klar ist: Am Geld darf der Kampf gegen den Keim nicht scheitern.
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