Wahlkampf 2023Rasant, informativ – und sogar unterhaltend
Die Parteispitzen schenkten sich auf dem Podium des «Tages-Anzeigers» nichts.
Wohin steuert die Schweiz? Das hängt davon ab, wie die Parteien in den Wahlen vom 22. Oktober abschneiden. An einem Podiumsgespräch positionierten sich die Parteispitzen unter der Leitung von «Tages-Anzeiger»-Chefredaktorin Raphaela Birrer sowie Bundeshaus-Redaktor Markus Häfliger. Es war ein sachliches, rasantes – und trotzdem unterhaltendes – Streitgespräch. Über 400 Personen verfolgten das Podium live im Zürcher Kaufleuten.
Am lautesten wurde die Runde beim Thema der hohen und weiter steigenden Krankenkassenprämien. Nämlich dann, als SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (nicht zum ersten Mal an diesem Abend) das Problem auf die rekordhohe Zuwanderung zurückführte. Das provozierte SP-Co-Präsident Cédric Wermuth zu einer scharfen Antwort, die dann allerdings im allgemeinen Lärmpegel auf dem Podium unterging.
Man kennt sich bestens, die Pointen sitzen
Ansonsten wurde gesittet diskutiert, mitunter gewürzt mit routiniert platzierten Zwischenrufen. Schliesslich treffen sich die sechs Männer (Frauen fehlten aus verschiedenen Gründen) nicht nur auf solchen Podien, sondern auch im Parlament. Man kennt sich, die Pointen sitzen.
Etwa dieser Austausch zwischen Grünen-Präsident Balthasar Glättli und seinem FDP-Kollegen Thierry Burkart: Glättli plädierte, nicht nur «in die Breite zu bauen, sondern auch in die Höhe», um Wohnraum zu schaffen. Burkart antwortete ätzend, dass die Grünen in der Stadt Zürich genau das verhindern wollten mit ihrem Nein zur Möglichkeit, Wohnhäuser aufzustocken. Beim Thema Genderstern hatte Wermuth die Lacher auf seiner Seite. Er sagte an die SVP gerichtet: «Ein liberaler Staat schreibt seinen Bürgern nicht vor, wie sie zu sprechen und zu schreiben haben.» Der von ihm angesprochene Fraktionspräsident Thomas Aeschi konnte das locker weglächeln: Wer behaupte, die SVP wolle den Genderstern verbieten, verbreite Fake News.
Das Publikum belohnt Positives mit Applaus
Ernsthafter behandelte die Runde das Thema Klimawandel. Jürg Grossen, Präsident der Grünliberalen, warf seinem Grünen-Kollegen Glättli Alarmismus vor und sagte: «Der Planet kann auch etwas ertragen, da droht nicht gleich der Weltuntergang.»
Das Publikum belohnte jene mit Applaus, die darauf hinwiesen, dass in der Schweiz auch vieles gut läuft. Mitte-Präsident Gerhard Pfister illustrierte das mit einer Anekdote. Der griechische Botschafter habe ihm gesagt: «Wenn ich Ihre Probleme haben darf, können Sie gerne meine haben.» Pfister lehnte dankend ab.
Das Podiumsgespräch wurde aufgezeichnet. Sie können es als Podcast «Politbüro» auf Tagesanzeiger.ch in ganzer Länge nachhören.
Video: Sechs Politiker, drei Fragen
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