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Beziehungen Schweiz – EU
Die Nordwestschweiz probt den Aufstand 

Die Brücke beim Dreiländereck in Basel. Die Nordwestschweiz ist stark von der Verschlechterung der bilateralen Beziehungen mit der EU betroffen.
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Als der Bundesrat vor über einem Jahr entschieden hatte, die Verhandlungen zum Rahmenabkommen mit der EU zu beenden, fühlten sich die Kantone übergangen: Sie hatten sich für das Abkommen stark gemacht. Nun erwarteten die Kantone, eng in das weitere Vorgehen einbezogen zu werden, teilte die Konferenz der Kantonsregierungen damals mit.

Seither haben sich die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU verschlechtert. Die liberale Denkfabrik Avenir Suisse beobachtet die Auswirkungen in einem «Erosionsmonitor». Darin beschreibt sie, mit welchen Schwierigkeiten Schweizer Unternehmen konfrontiert sind. In der jüngsten Ausgabe legt Avenir Suisse den Fokus auf die Nordwestschweizer Kantone: Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Jura und Solothurn. Die Region sei für die gesamte Schweiz wirtschaftlich von grosser Bedeutung, sagt Peter Grünenfelder, der Direktor der Denkfabrik. Und sie sei von der Erosion der bilateralen Verträge überdurchschnittlich stark betroffen.

«Wir befürchten, dass der Bundesrat nichts tun will.»

Beat Jans, Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt

Die Regierung des Kantons Basel-Stadt schrieb diese Woche in einer Mitteilung, sie sei über die europapolitischen Entwicklungen ausserordentlich besorgt. «Wir hoffen, dass der Bundesrat die Betroffenheit und Sorge der Region Basel ernst nimmt und handelt.» SP-Regierungsrat Beat Jans ist jedoch nicht sehr zuversichtlich. «Wir befürchten, dass der Bundesrat nichts tun will», sagt Jans.

Jüngst habe der Bundesrat sogar ein Gesprächsangebot des EU-Ansprechpartners Maros Sefcovic ausgeschlagen. Dieser habe im Juni nach Bern reisen wollen. Der Bundesrat habe abgelehnt, er wolle Sefcovic frühestens im September treffen. «Man muss sich das einmal vorstellen», sagt Jans. «Der Bundesrat hat vor einem Jahr die Tür zugeschlagen. Nun klopft Sefcovic trotzdem an, und der Bundesrat öffnet nicht einmal.»

Die Kantone fühlen sich machtlos: Aussenpolitik ist Sache des Bundesrats. Doch das soll sich nun ändern. Während der Bundesrat am Freitag eine weitere Aussprache zur Europapolitik führt, besprechen die Nordwestschweizer Kantone konkrete Forderungen nach mehr Mitsprache.

«Kantone früher ins Boot holen»

Die Kantone können sich dabei auf ein Rechtsgutachten im Auftrag von Avenir Suisse stützen, das dieser Redaktion vorliegt. Gutachter Urs Saxer von der Universität Zürich kommt zum Schluss, dass ein Ausbau der Kantonsrechte trotz Einschränkungen durch die Verfassung möglich sei. Konkret schlägt Saxer vor, einen Europaausschuss zu schaffen, in dem Bund und Kantone vertreten sind.

Der Ausschuss soll nicht bloss dem Gedankenaustausch dienen: Die Kantone sollen bei der Festlegung von Taktik und Strategie in der Europapolitik mitwirken – und sogar an Verhandlungen mit der EU teilnehmen. Repräsentiert würden die Kantone in diesem neuen Gremium durch die Konferenz der Kantonsregierungen.

«Das Ziel ist, die Kantone schon früher und öfter ins Boot zu holen», sagt Saxer. Der Europaausschuss soll so schnell wie möglich als informelles Gremium geschaffen werden, danach aber gesetzlich verankerte Kompetenzen erhalten. Weiter schlägt Saxer vor, dass das Anhörungsrecht der Kantone konkretisiert wird. So könnte im Gesetz verankert werden, dass dem Bund ein Abweichen von einer einheitlichen oder mehrheitlich beschlossenen kantonalen Stellungnahme nur aus überwiegenden aussenpolitischen Gründen erlaubt ist. Ausserdem sollen die Kantone dem Bundesrat Aufträge erteilen können, wie dies auch das Parlament tun kann. 

«Bundesbern bewegt sich in einer Blase.»

Peter Grünenfelder, Direktor von Avenir Suisse

Ob diese Vorschläge im Parlament eine Chance hätten, ist ungewiss. Erst im vergangenen Dezember hat sich der Ständerat dagegen ausgesprochen, die Rolle der Kantone in der Aussenpolitik zu stärken. Der Rat lehnte einen Vorstoss der grünen Baselbieter Ständerätin Maja Graf knapp ab. Der Bundesrat argumentierte, Aussenpolitik sei Sache des Bundes. Zudem gebe es viele Gefässe, in denen sich Kantone und Gemeinden einbringen könnten.

Aus Sicht von Avenir Suisse genügt das nicht. «Bundesbern bewegt sich in einer Blase», sagt Direktor Grünenfelder. Die Kantone seien näher bei der Realwirtschaft. Deshalb sei es dringend nötig, dass sie mehr Mitsprache erhielten.