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Meinung

Gastkommentar zur Finanzpolitik
Die Nationalbank blockiert 92 Milliarden öffentliche Gelder

Er sitzt auf 92 Milliarden: Nationalbankpräsident Thomas Jordan.
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92 Milliarden – das ist eine enorme Summe. Schon mit einem Teil dieser 92 Milliarden liesse sich zum Beispiel erreichen, dass auch die Bevölkerung in den armen Ländern der Welt so rasch wie möglich gegen Covid19 geimpft werden kann; die AHV auf viele Jahre hinaus finanziell abgesichert ist; die wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Krise klimaverträglich und beschäftigungswirksam gesteuert wird; all jenen Menschen eine berufliche Umschulung angeboten werden kann, die gerade erleben, wie ihre Perspektiven wegen Corona, Klimaererwärmung und Digitalisierung dahinschmelzen.

Jedes andere Land der Welt würde alles tun, um eine solche Geldreserve nutzbar zu machen, insbesondere jetzt, in einer Situation ohne jegliche Inflationsgefahr. Nicht so die Schweiz, oder genauer: Nicht so die Schweizerische Nationalbank. Sie verfügt heute über Rückstellungen von über 80 Milliarden Franken, um Schwankungen bei ihren Währungsreserven aufzufangen. Gut so.

Zusätzlich aber sitzt sie auf weiteren 98 Milliarden Franken. Diese sind laut Gesetz zur Ausschüttung an Bund und Kantone vorgesehen. Doch davon will sie aber lediglich 6 Milliarden auch wirklich auszahlen. Das hält sie in einer Vereinbarung mit dem Finanzdepartement vom 29. Januar dieses Jahres fest. Den Rest, also 92 Milliarden, müsse sie zurückhalten, um Schwankungen bei den Jahresgewinnen aufzufangen – behauptet sie.

Nationalbanken können mit Geld arbeiten, ohne dafür Zinsen bezahlen zu müssen.

Tatsächlich gibt es solche Schwankungen, und sie können gross ausfallen. Eine Ausschüttungsreserve von 10 Milliarden, vielleicht auch 20 Milliarden liesse sich damit begründen – nicht aber 92 Milliarden. Denn die Nationalbank hat im Durchschnitt der letzten 14 Jahre jährlich 8.9 Milliarden Gewinnanteile erzielt, die für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen wären. Davon hat sie im Schnitt jedoch nur rund 1.7 Milliarden auch wirklich ausbezahlt. Das ist der Grund, warum die Ausschüttungsreserven jetzt auf diesen Rekordwert gestiegen sind.

Und es kommt noch besser, wie Nationalbank-Chef Thomas Jordan weiss. In einem Vortrag hielt er fest: «Zentralbanken erwirtschaften im langfristigen Durchschnitt stets Gewinne.» Der Grund: Sie können mit Geld arbeiten, ohne dafür Zinsen bezahlen zu müssen. Weil sie in Eigenregie Geld schöpfen können, können sie laut Jordan auch «nicht in Liquiditätsprobleme geraten».

Sie sind somit – ganz im Gegensatz zu Geschäftsbanken und zu allen andern übrigen Unternehmen – auch im Falle eines «vorübergehend negativen Eigenkapitals uneingeschränkt handlungsfähig». Der ganze Text des Vortrags ist auf der Website der Nationalbank aufgeschaltet.

Ich stimme Jordan uneingeschränkt zu. Aber wenn dem so ist: Warum um alles in der Welt verweigert die Nationalbank dann die Auszahlung dieser Gelder, die – und darüber lässt Artikel 31 des Nationalbankgesetzes keinen Zweifel – der Öffentlichkeit gehören? Die Vermutung liegt nahe, dass hier eine Ideologie am Werk ist, die den Staat knapp bei Kasse halten will, um ihn zum Sparen zu zwingen.

Die Nationalbank sollte in diesem und im nächsten Jahr je einem Sonderbetrag von zwanzig Milliarden Franken ausschütten.

Man mag ja einer solchen Ideologie huldigen und der ehrlichen Ansicht sein, dem Staat müssten finanzielle Grenzen gesetzt werden. Doch spätestens seit wir mit zwei umfassenden Krisen konfrontiert sind – Klima und Corona – müsste allen klar sein: Wir leben in ungewohnten Zeiten, in denen wir rasch und entschlossen handeln müssen.

Deshalb sollte die Nationalbank in diesem und im nächsten Jahr je einem Sonderbetrag von zwanzig Milliarden Franken ausschütten. Und für die Zukunft muss die Ausschüttungspolitik der SNB so geregelt werden, dass den gesetzlichen Bestimmungen Genüge getan wird. Alles andere ist unhaltbar, schadet der Bevölkerung und begrenzt unsere Fähigkeiten, die anstehenden Krisen erfolgreich zu bewältigen.