US-Demokraten gegen TrumpDie Mühen der Linken mit Biden und Harris
Vor vier Jahren scheiterten die Demokraten auch daran, dass sie zerstritten waren. Und heute? Der linke Flügel ist über die Kandidaten nicht erfreut – aber arrangiert sich mit ihnen.
Begeisterung? Das nicht. Um ein Gespür dafür zu kriegen, was der linke Flügel der Demokraten von einer möglichen Vizepräsidentin Kamala Harris hält, hilft ein Blick in die Social-Media-Konten von Alexandria Ocasio-Cortez. Die junge Abgeordnete kommentiert dort in der Regel rasch, gewitzt, hellwach – aber zur Nominierung von Harris schrieb sie nichts. Sie retweete bloss zwei Gratulationsnachrichten, die andere Demokraten abgesetzt hatten.
Auch bei den grossen TV-Sendern, bei denen sich zuletzt alle möglichen Parteivertreter mit Lobeshymnen auf das nun vollständige Ticket der Demokraten überboten, war Ocasio-Cortez nicht zu sehen. Ganz so, als wollte sie dazu jetzt lieber nichts sagen.
Keine Revolution – aber auch keine Meuterei
Mit der Entscheidung des Präsidentschaftskandidaten Joe Biden zugunsten von Harris erlischt die Hoffnung der Progressiven, im Fall eines Wahlsiegs über Donald Trump einen der Ihren ins Weisse Haus zu schicken. Sowohl Biden als auch Harris gelten als moderate Demokraten, auch wenn sich ihre politischen Biografien deutlich unterscheiden.
Parteilinke wie Ocasio-Cortez hatten deshalb gehofft, dass Biden mit einer anderen Nummer 2 ins Rennen gehen würde – jemandem wie der Senatorin Elizabeth Warren, die in ihrer eigenen Präsidentschaftsbewerbung eine Revolution statt eine Reform gefordert hatte – einen «grossen, strukturellen Wandel».
Keine Begeisterung für Biden und Harris also – aber auch keine offene Meuterei. So war das noch 2016 gewesen, als Hillary Clinton erst nach einem langen und gehässigen Vorwahlkampf über den demokratischen Sozialisten Bernie Sanders gesiegt hatte. Sanders’ Anhänger fühlten sich betrogen und beklagten, dass das Establishment der Partei die Vorwahlen zugunsten von Clinton manipuliert habe.
Die Bernie-Leute, die Trump wählten
Der Riss, der im Sommer vor vier Jahren durch die Partei ging, war tief. Er trug dazu bei, dass Studien zufolge einer von zehn Sanders-Wählern am Wahltag im November für Trump einlegte statt für Clinton.
Sanders unterlag in den Vorwahlen auch in diesem Jahr, diesmal gegen Joe Biden. Doch im Gegensatz zum letzten Mal sprach er dem Sieger früh seine Unterstützung aus. Und Biden wiederum hat im Gegensatz zu Clinton in den vergangenen Monaten einiges getan, um auf den linken Flügel zuzugehen.
Er übernahm einige Forderungen seiner linken Rivalen und berief progressive Vertreter in Programmkommissionen. Alexandria Ocasio-Cortez wurde zur Co-Leiterin einer Arbeitsgruppe ernannt, die Vorschläge zur Bekämpfung des Klimawandels erarbeiten soll. Im Juli kündigte Biden zudem an, im Fall eines Wahlsiegs 2 Billionen Dollar in saubere Energien zu investieren.
Bidens Avancen gegenüber links
Der demokratische Kandidat habe sich in den Grundzügen deutlich nach links bewegt, kommentierte die Zeitschrift «The Atlantic». Er vermeide aber konkrete Forderungen und Slogans, die von Trumps Republikanern gegen ihn verwendet werden könnten: «Damit kommt er moderater daher, als er es eigentlich ist.»
Die Kritik von ganz links am Wahlticket der Demokraten gibt es aber trotzdem noch. Mit Biden und Harris hätten sich zwei «Neoliberale» gefunden, schrieb das sozialistische Magazin «Jacobin», das in den Vorwahlen Bernie Sanders unterstützt hatte. Die Senatorin aus Kalifornien habe in ihrer ganzen Karriere «rechte Ziele» verfolgt.
Würden Biden und Harris gewählt, sei mit einer Regierung zu rechnen, die «noch konservativer» sei als jene von Barack Obama. Trumps Vorgänger gilt in diesen Kreisen nicht selten als verkappter Republikaner, der weder willens noch fähig gewesen sei, eine linke Politik zu betreiben.
Was Harris betrifft, so stützt sich diese Art von Kritik zum einen auf ihre Vergangenheit als Staatsanwältin. Ihr wird vorgeworfen, dass sie als Attorney General in Kalifornien in der Hand gehabt hätte, mehr gegen jene rassistischen Strukturen in der Justiz zu unternehmen, gegen die nun Millionen von Amerikanern demonstrieren. Zum anderen wird Harris vorgeworfen, in wirtschaftlichen Themen nicht ambitioniert genug zu sein und in der Frage nach einer staatlichen Krankenversicherung keine klare Haltung zu haben.
Die Nähe zum Geld
Die Tatsache, dass Biden und Harris in den vergangenen Tagen eine Rekordmenge an Spenden eingesammelt haben, ist für diese Stimmen ein Beweis dafür, dass Harris zu nahe an der Wallstreet steht und an den Millionären des Silicon Valley, die sie schon bei ihren früheren Wahlkämpfen grosszügig unterstützten.
Die Leute, die diese Kritik anbringen, sind allerdings keine prominenten Parteivertreter – keine Leute vom Schlag eines Bernie Sanders oder einer Alexandria Ocasio-Cortez. Sondern Vertreter von progressiven Organisationen oder frühere Mitarbeiter von Sanders.
Der linke Senator selbst gratulierte Harris in einem Tweet: «Sie weiss, was es heisst, für die arbeitenden Leute zu kämpfen, für eine Gesundheitsversorgung für alle einzutreten und sich mit der korruptesten Regierung der Geschichte anzulegen.»
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Und Ocasio-Cortez mag sich mit eigenen Glückwünschen zurückgehalten haben – doch in der Klimapolitik arbeitet sie bereits länger mit Harris zusammen.
In der Konsequenz heisst all dies, dass die Demokraten wenige Tage vor ihrem Parteitag deutlich geschlossener dastehen als auch schon. Und das ist, besonders nach den Streitereien und Schlammschlachten vor vier Jahren, immerhin schon etwas.
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