Kommentar zur Vize-KürWarum Harris für Biden eine gute Wahl ist
Mit seiner Entscheidung, erstmals eine schwarze Frau zur Kandidatin fürs US-Vizepräsidium zu machen, sendet Joe Biden ein historisches Signal.
Joe Biden liess sich lange Zeit, nun hat er entschieden: Der demokratische Präsidentschaftskandidat zieht mit Kamala Harris an seiner Seite in die Wahl gegen Donald Trump. Die 55-jährige Senatorin aus Kalifornien wird damit zur ersten schwarzen Frau, die von einer der grossen Parteien als Vizepräsidentin vorgeschlagen wird.
In einer Zeit, in der die USA eine schmerzhafte Debatte über Rassismus führen, ist das ein wichtiges Signal – ein historisches. Vor allem aber steigert Bidens Entscheidung die Chancen der Demokraten, die Wahl gegen Trump zu gewinnen.
Dass Biden eine Frau an seine Seite holen würde, hatte er schon im Frühling versprochen. Dass es wohl eine schwarze Frau werden würde, hatte sich spätestens seit den Protesten gegen Polizeigewalt abgezeichnet, die nach der Tötung des Afroamerikaners George Floyd überall im Land losgebrochen waren. Biden stand unter grossem Druck aus den eigenen Reihen, eine Schwarze zu nominieren – und das zu Recht.
Viel zu lange handelten demokratische Politiker so, als hätten sie die Stimmen der schwarzen Wähler bereits in der Tasche, besonders die Stimmen der schwarzen Frauen. Hillary Clintons Niederlage hat den Demokraten gezeigt, dass das nicht so ist. Wollen die Demokraten Trump bezwingen, können sie nicht leisten, dass noch einmal so viele schwarze Wähler zuhause bleiben wie vor vier Jahren. Bidens Wahl von Harris ist deshalb ein Zeichen des Respekts für diese Wählergruppe und ein wahltaktischer Zug zugleich.
Mit Harris sucht Biden den Weg über die politische Mitte.
Harris bringt für das Amt der Vizepräsidentin – ganz unabhängig von ihrer Hautfarbe – reichlich politische Erfahrung und Qualifikation mit. Sie war lange Jahre Staatsanwältin, 2010 wurde sie zur Generalstaatsanwältin von Kalifornien gewählt, wo sie das zweitgrösste Justizministerium des Landes führte.
Im US-Senat, in dem sie seit 2017 als einzige schwarze Frau sitzt, machte sich Harris einen Namen als geschickte Rednerin – ein Talent, das ihr allerdings bei ihrer eigenen, früh gescheiterten Präsidentschaftskandidatur nicht viel nützte.
Enttäuschen wird die Nominierung von Harris jene Teile der progressiven Basis, die in ihr eine Vertreterin des verhassten Justizwesens sehen. Damit kann Biden wohl leben.
Ihm scheint wichtiger zu sein, dass Harris politisch zu ihm passt: Sie stimmt als Senatorin oft links, steht aber dem moderaten Flügel der Partei näher. Mit Harris sucht Biden den Weg über die politische Mitte. Für Trump und seine Mitstreiter wird es mit Harris auf dem Wahlzettel auch schwieriger werden, Biden als Marionette von linksextremen Kräften darzustellen.
Die Bedeutung des «Running Mate»
Die Bedeutung des «Running Mate» wird von Medien und Politdeutern tendenziell überschätzt. Es gibt wenig Belege dafür, dass die Wähler ihre Entscheidung davon abhängig machen, welche Person ein Präsidentschaftskandidat zu seinem Vize machen will.
Im Fall Bidens ist die Ausgangslage allerdings speziell, weil er an seinem ersten Amtstag 78 Jahre alt wäre – so alt wie kein Präsident zuvor. Das Sprichwort, wonach ein Vizepräsident nur einen Herzschlag vom mächtigsten Amt entfernt ist, erhält damit eine neue Bedeutung.
Biden hat zudem schon durchblicken lassen, dass er sich im Fall eines Wahlsiegs als Mann des Übergangs sehen und kaum für eine zweite Amtszeit antreten würde.
Gut möglich also, dass Biden mit Harris nicht nur eine fähige Vizepräsidentin erkoren hat. Sondern gleich auch noch die erste Präsidentin der Vereinigten Staaten.
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