Streik in der WaadtDie Millionen der Regierung stimmen das Staatspersonal nicht um
Der Konflikt zwischen der bürgerlichen Waadtländer Regierung und den Kantonsangestellten spitzt sich zu. Während Erstere ein letztes Angebot macht, organisieren die Gewerkschaften den nächsten Streiktag.
Sie spüren grossen Druck, sehen aber nur einen Weg: ihren Arbeitskampf weiterführen. Sie wollen für ihr Recht kämpfen, dass ihre Löhne gemäss kantonalem Recht automatisch der Teuerung angepasst werden. Das ist die Stimmung bei den rund 200 Waadtländer Staatsangestellten, die sich am Mittwochabend auf Einladung ihrer Gewerkschaften in der Aula eines Lausanner Schulhauses versammeln. Seit letztem Herbst verlangen sie einen Teuerungsausgleich von 3 Prozent, während die Regierung 1,4 Prozent geben will.
Am Ende der Versammlung ist die Haltung klar. Die Gewerkschafter erklären den 28. März einstimmig zum neuen Aktions- und Streiktag, den fünften seit Anfang Jahr. «Natürlich sind wir nach den letzten Wochen müde und wollen lieber andere Dinge tun, aber der kommende Dienstag muss der grösste Protesttag werden, den die Waadt seit Jahren erlebt hat», ruft jemand ins Mikrofon. Ein anderer sagt: «Der Kanton hat über 5,5 Milliarden Franken Vermögen und wird auch für 2022 einen Überschuss ausweisen.» Am Ende betont jemand: «Wir sind zum Streiken verdammt.» Applaus im Saal.
Tausende auf der Strasse
Für die Waadt und ihre Bürgerinnen und Bürger bedeutet dies: Am Dienstag werden Hunderte Lehrerinnen und Lehrer, Sozialarbeiter und Spitalangestellte ihre Arbeit niederlegen. Am Abend werden Tausende Staatsangestellte, darunter auch Polizisten, ihren Protest pfeifend und lärmend durch die Lausanner Innenstadt tragen. Für die Gewerkschaften bedeutet der Entscheid aber auch: Sie müssen noch mehr mobilisieren als bisher, um ihren Willen gegenüber der Regierung durchzusetzen. Am letzten Aktionstag Anfang März kamen viel weniger Leute als erwartet. Auch die Gewerkschaften spüren Druck.
«Fünf Millionen in fünf Minuten, daran sieht man, wie ernst sie uns nehmen.»
Deren Sekretäre rapportierten an der abendlichen Zusammenkunft auch über ihr Treffen mit einer Delegation der Kantonsregierung wenige Stunden zuvor. «Sie wollten grosszügig sein und haben uns eine einmalige Ausgleichsprämie von 10 Millionen Franken angeboten», sagt ein Gewerkschafter ins Mikrofon. «10 Millionen Franken, die sie aber erst im Jahr 2024 auszahlen. Da sind wir aufgestanden und haben den Verhandlungstisch verlassen. Fünf Minuten später sassen wir wieder am Tisch und es waren fünf Millionen Franken mehr. Fünf Millionen in fünf Minuten, daran sieht man, wie ernst sie uns nehmen.»
Auch das 15-Millionen-Geschenk ist den Gewerkschaftern und Arbeitnehmern zu wenig, weil es sich dabei nicht um eine Lohnerhöhung, sondern um eine einmalige Prämie handelt, die 2024 ausbezahlt wird. «Weil für den Kanton Waadt und in den staatsnahen Betrieben wie Spitäler und Heime insgesamt 70’000 Personen arbeiten, macht das pro Person und Monat nur 15 Franken zusätzlich», kalkuliert ein Gewerkschafter.
Vor langem abgegebene Versprechen
Über den von der Kantonsregierung längst beschlossenen Teuerungsausgleich von 1,4 Prozent fürs aktuelle Jahr will an diesem Abend niemand mehr reden. Zum Thema werden jene 20 Millionen Franken, die die Regierung jetzt für Lohnerhöhungen für Angestellte in der Pflege und im Sozialsektor bereitstellen will. Diese Lohnerhöhungen seien eine längst fällige Massnahme, um im Vergleich zum Lohnniveau der Nachbarkantone nicht noch stärker abzufallen, heisst es an der Versammlung.
Auch die von der Regierung präsentierten mehrere Millionen schweren Massnahmen gegen sexuelle Belästigung und Mobbing bezeichnen Gewerkschafter als «schon vor langem abgegebenes Versprechen». Genau gleich wie jene zusätzlichen 80 Stellen für schulische Hilfskräfte, die den Lehrerinnen und Lehrern helfen sollen, den Umgang mit Kindern mit hohem Betreuungsaufwand zu meistern.
«Das ist unser letztes Angebot.»
«Das ist unser letztes Angebot», stellt Regierungspräsidentin Christelle Luisier (FDP) an einer Medienkonferenz am Mittwochnachmittag klar. Das von ihrer Regierung präsentierte Paket sei 47 Millionen Franken wert. Dass die Regierung die Einmalprämien erst 2024 auszahlen will, liege daran, dass man beim diesjährigen Budget keinen Spielraum habe, sondern es rigoros einhalten müsse, so Luisier.
Finanzdirektorin Valérie Dittli (Die Mitte) betont, dem Kanton brächen konjunkturbedingt Einnahmen weg und daran werde sich so rasch auch nichts ändern. «Wenn vor mir 47 Millionen Franken auf dem Tisch liegen, würde ich sofort zugreifen», sagt der freisinnige Bildungsdirektor Frédéric Borloz an die Adresse der Gewerkschaften. Doch zugreifen wollen die Gewerkschaften nicht. Sie geben sich unbeeindruckt. Sie wollen mehr und sehen sich im Recht.
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