Analyse zum Bürgerkrieg in ÄthiopienDie Kriegsparteien reissen eine Region in den Abgrund
Äthiopiens Premier lehnt ein Friedensangebot ab – und nimmt immenses Leid in Kauf. Europa muss sich fragen, ob es autoritäre Regierungen unterstützen will, die Stabilität versprechen.
Vielleicht ist es die letzte Chance auf Frieden in Äthiopien für lange Zeit: Am Montag haben die Vertreter der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) angekündigt, sich von vielen Fronten zurückzuziehen, sie haben einen Waffenstillstand angeboten und Verhandlungen zu einer langfristigen Lösung im äthiopischen Bürgerkrieg.
Der Präsident von Tigray spricht von einem sinnlosen Krieg, den niemand gewinnen könne. Das klingt einsichtig, ist aber letztlich nur das Eingeständnis der TPLF, dass es derzeit nicht gut läuft für sie auf dem Schlachtfeld. So war es schon öfter in diesem Konflikt: Wer gerade in der Defensive war, bot der anderen Seite das Schweigen der Waffen an. Die Gegner sahen das als Zeichen der Schwäche und Indiz dafür, dass man dabei ist, die endgültige Schlacht zu gewinnen. So auch diesmal: Ministerpräsident Abiy Ahmed liess nach dem Angebot die Hauptstadt der Tigray mit Drohnen angreifen. Es zeigt sich einmal wieder: Keine Seite ist bereit, diesen Krieg zu beenden.
«Der Krieg geht vor allem immer weiter, weil keiner glaubt, dass Frieden möglich ist ohne die Vernichtung des anderen.»
Dann sollen sie es bis zum Ende austragen, könnte der Rest der Welt sagen. Doch es handelt sich um Armeen mit Hunderttausenden Kämpfern, die Millionen Zivilisten das Leben zur Hölle machen und die ganze Region in den Abgrund reissen. Was tun also? Die ehrliche Antwort ist, dass Europa und die USA derzeit nur wenig machen können, um diesen Krieg zu beenden. Er hat komplexe Ursachen, die Jahrzehnte, manchmal Jahrhunderte zurückliegen. Es geht darum, welche ethnische Gruppe im Vielvölkerstaat die andere früher dominierte. Und darum, welche künftig die Macht haben soll. Der Krieg geht vor allem immer weiter, weil keiner glaubt, dass Frieden möglich ist ohne die Vernichtung des anderen.
Es ist ein äthiopischer Krieg mit äthiopischen Ursachen, den Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed aber recht geschickt zu einem Kampf gegen Imperialismus stilisiert. Seine These: Die USA und Europa stünden auf der Seite der TPLF, die sie bis zu seiner Amtsübernahme 2018 fast drei Jahrzehnte unterstützt hatten und deren Regime trotz schwerster Menschenrechtsverletzungen Milliarden an Entwicklungshilfe bekam. Das ist ein Ablenkungsmanöver; er versucht, andere verantwortlich zu machen für den Schlamassel. Dennoch sollte sich Europa fragen, ob es in Afrika weiter autoritäre Regierungen unterstützen sollte, die Stabilität versprechen. In Äthiopien kann man erkennen, wie kurzfristig diese ist.
Geld mit Waffenverkäufen
Die USA und Europa schauen ratlos auf diesen Konflikt, in den man früher hätte eingreifen sollen. Das machen nun andere: Die Türkei, der Iran und die Emirate liefern ihre Drohnen nach Äthiopien. Man kann davon ausgehen, dass der Sudan und Ägypten im Hintergrund versuchen, den Truppen aus Tigray zu helfen. Sonderlich koordiniert ist das alles nicht, was man schon daran sehen kann, dass sich der Iran und die Emirate auf einer Seite wiederfinden. Es geht wohl weniger um geostrategische Interessen als um Geldmacherei.
Europa und die USA sollten dem Nato-Mitglied Türkei und dem sogenannten Verbündeten in den Emiraten klarmachen, dass es jetzt mal gut ist mit dem Drohnenverkauf. Sie sollten versuchen, für Abiy Ahmed eine gesichtswahrende Möglichkeit zu finden, den Konflikt zu beenden, und ihm gleichzeitig still den Geldhahn zudrehen. Denn leisten kann er sich diesen Krieg schon lange nicht mehr.
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