Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen
Meinung

Analyse zum Krieg in Äthiopien
Ein Land steht vor dem Zusammenbruch

Nobelpreisträger und Kriegstreiber: Abiy Ahmed hinter schusssicherem Glass. 
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Jetzt also geht er selbst an die Front. Äthiopiens Ministerpräsident will sich nun an die Front begeben, will Äthiopien vor dem Untergang retten, wie er sagt. Letztlich scheint er eher bereit zu sein, das Land mit in den Abgrund zu reissen. Sollte es noch eines Nachweises bedurft haben, dass Abiy Ahmed keine ideale Wahl war für den Friedensnobelpreis, er hat diesen nun geliefert. Der Jugend seines Riesenlandes ruft er zu: Wollt ihr in die Geschichte eingehen, dann treffen wir uns morgen an der Front.

Tausende Jugendliche hat er schon in dem Bürgerkrieg verheizt, jetzt werden es noch mal sehr viele mehr. Von einem kleinen Verhandlungsfenster hatten die Vermittler aus Afrika, der EU und den USA gesprochen, von der Hoffnung, diesen Krieg zu beenden. Abiy schmeisst dieses Fenster gerade zu. Der Krieg wird erst einmal weitergehen, vielleicht auch deshalb, weil er einer einfacheren Logik folgt: Es geht immer um die nächste Schlacht, das Überleben, um alles, die Reihen schliessen sich, grundsätzliche Fragen werden von Kriegsgebrüll abgelöst.

«Drei Jahre später ist Äthiopien so polarisiert wie nie, befinden sich die Volksgruppen im Krieg. Abiy ist gescheitert, Äthiopien in seiner jetzigen Form auch.»

Als Abiy 2018 antrat, wollte er aus dem Riesenreich mit mehr als 80 Volksgruppen und Dutzenden Sprachen eine Nation machen, in der sich die Menschen zuerst als Äthiopier sehen. Drei Jahre später ist Äthiopien so polarisiert wie nie, befinden sich die Volksgruppen im Krieg. Abiy ist gescheitert, Äthiopien in seiner jetzigen Form auch. Nationen funktionieren nur, wenn die Kraft im Zentrum grösser ist, als es die Fliehkräfte sind. In Äthiopien löste in den vergangenen Jahrhunderten ein Nationenprojekt das nächste ab, jede Volksgruppe kann eine lange Litanei erzählen, wie sie von der anderen benachteiligt wurde.

Abiy zieht jetzt in die mal wieder entscheidende Schlacht gegen die Tigray. Deren Elite hatte Äthiopien bis zu seinem Amtsantritt drei Jahrzehnte lang beherrscht. Macht, Geld und Posten teilte sie unter sich auf. Jetzt versucht sie womöglich, die Hauptstadt Addis Abeba zu erobern und Abiy zu stürzen.

Ein Krieg, den niemand gewinnen kann

Es ist ein Konflikt, von dem alle Seiten sagen, er sei militärisch nicht zu gewinnen. Und doch machen sie weiter, weil sie sonst eine Frage beantworten müssten: Wie soll die Zukunft aussehen? Die Tigray wissen, dass sie den Krieg gewinnen können, aber nicht den Frieden, so verhasst sind sie im Land. Bei Abiy lässt sich darüber diskutieren, inwieweit er Kriegstreiber oder Getriebener ist. Sein Militär ist zusammengebrochen, er wird von einer fragilen Allianz gestützt, deren gemeinsamer Nenner der Kampf gegen die Tigray ist. Ein Plan für das Danach ist nicht erkennbar, den Versöhner kann er nach all den Grausamkeiten nicht geben.

Also holt er die alten Tricks raus, die schon viele afrikanische Führer anwandten: Er startet eine Kampagne gegen «neokoloniale Kräfte» im Westen, die Äthiopien zerstören wollten. Tausende Exil-Äthiopier gehen derzeit mit solchen Parolen auf die Strasse. Es sind oft dieselben Leute, die gerade noch fürchterlich stolz darauf waren, dass Äthiopien nie kolonialisiert wurde.

Sicher: Viele Medien berichten verzerrt über den Konflikt, andere Länder ergreifen Partei, Iran und die Türkei sollen Drohnen liefern, die Emirate um Einfluss kämpfen. Es ist und bleibt aber ein Krieg mit äthiopischen Ursachen und Protagonisten. Der auch nur durch äthiopische Lösungen beendet werden kann. Doch diejenigen, die nicht mit lautem Gebrüll zur Front rennen, sie sind gerade nicht zu hören.