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Eskalation auf der Koreanischen Halbinsel
Die Hoffnung auf Entspannung geht in dichtem Qualm auf

Südkoreanische Soldaten in der Nähe der entmilitarisierten Zone.
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Nordkoreas Regierung liess das Liaison-Büro zum zwischenkoreanischen Austausch in der Grenzstadt Kaesong gegen zehn vor drei am Dienstagnachmittag sprengen. Bald darauf kursierte in Medien das Bild von der mächtigen Rauchsäule, die über dem nordkoreanischen Standort des Büros aufstieg. Es war symbolisch: Die Hoffnung auf anhaltende Entspannung zwischen Nord- und Südkorea ging in dichtem Qualm auf.
Nordkoreas staatliche Nachrichtenagentur KCNA bejubelte eine «sagenhafte Explosion» und berichtete, die zuständige Fachbehörde des kommunistischen Regimes habe «die Massnahme der vollständigen Zerstörung des Nord-Süd-Verbindungsbüros in der Industriezone von Kaesong in die Tat umgesetzt». In Seoul trat Südkoreas Präsident Moon Jae-in mit den höchsten Sicherheitsbeamten zusammen. Das Blaue Haus, Moons Amtssitz, erklärte: «Die Regierung macht klar, dass die Verantwortung für alles, was folgt, ganz aufseiten des Nordens liegt.»

Eine Festung der Annäherung

Der Dienstag war ein trauriger Tag für alle, die mal dachten, dass die ergiebigen Verhandlungen zwischen Moon Jae-in und Nordkoreas Staatschef Kim Jong-un eine neue Phase im Verhältnis der beiden Koreas einleiten könnten. Das Liaison-Büro war ein Symbol für diesen Optimismus. Es gehörte zu den Vereinbarungen, auf die sich Moon und Kim in der Panmunjom-Erklärung vom 27. April 2018 verständigt hatten. Im September darauf wurde es eröffnet. Interkoreanische Projekte sollten dort entstehen. Es war als Treffpunkt für Arbeitsgespräche zwischen Nord und Süd vorgesehen, als eine kleine Festung der Annäherung. Südkoreas Regierung investierte 9,7 Milliarden Won, 7,5 Millionen Franken, in die Modernisierung des Gebäudes.

«Sagenhafte Explosion»: Nach der Sprengung steigt Rauch über dem nordkoreanischen Standort des Verbindungsbüros auf.

An seiner Glasfassade war eine Tafel angebracht, die den Grundriss des vereinigten Korea zeigte – das war kein kleines Zeichen für zwei Bruderstaaten, für die der Korea-Krieg offiziell noch nicht beendet ist, weil 1953 nach dem Ende der blutigen Kampfhandlungen kein Friedensvertrag zustande kam. Seit Januar war das Büro wegen des Coronavirus geschlossen. Bei der Explosion war das Gebäude leer. Nordkoreas Regime wollte niemanden umbringen, sondern ein unübersehbares Zeichen setzen dafür, dass es mit dem Fortgang der Beziehungen unzufrieden ist.

Die Schwester des Diktators droht

Das bringt Nordkorea seit knapp zwei Wochen fast täglich zum Ausdruck. Grund ist offiziell der Umstand, dass Südkorea einer Vereinbarung der Panmunjom-Erklärung nicht nachkommt: Seoul ist aus Pyongyangs Sicht nicht streng genug gegen Überläufer vorgegangen, die an der Grenze Heliumballons mit regimekritischen Texten steigen lassen. Die Serie der feindlichen Ansprachen begann mit der Drohung, praktisch alle gemeinsamen Vereinbarungen aufzukündigen. Kim Yo-jong, die Schwester und Propaganda-Beauftragte von Staatschef Kim Jong-un, trug die Warnungen vor. Vergangene Woche boykottierten Nordkoreas Behörden dann die diplomatischen und militärischen Telefonverbindungen mit dem Süden.

Kim Jong-un hatte sich von der Entspannung mehr erwartet als fromme Aussöhnungsprojekte.

Am Samstag schliesslich meldete sich Kim Yo-jong in der Zeitung «Rodong Sinmun», dem viel gelesenen Zentralorgan der Arbeiterpartei. Sie bezeichnete Südkorea als «Feind» und warnte vor einer militärischen Aktion. Die Zerstörung des Liaison-Büros nahm sie da schon vorweg mit dem Satz: «In Kürze wird eine tragische Szene vom vollständig zusammengebrochenen Süd-Nord-Verbindungsbüro zu sehen sein.» Drei Tage später zeigte das Regime mit der Sprengung, dass es seine Drohungen auch wahr macht.

In Wirklichkeit geht es wohl nicht nur um die paar Aktivisten, deren Ballons den Norden oft gar nicht erreichen. Kim Jong-un hatte sich von der Entspannung des binnenkoreanischen Verhältnisses offensichtlich mehr erwartet als fromme Aussöhnungsprojekte. Seit 2018 hatte er zwar viel beachtete Treffen mit US-Präsident Donald Trump. Aber weil er seine Atomwaffen nicht hergeben will, belasten die internationalen Sanktionen weiter die marode Wirtschaft seines Landes. «Nordkorea braucht Geld», sagt Andrei Lankov, Direktor der unabhängigen Forschungsfirma Korea Risk Group, «es hat wirtschaftliche und finanzielle Hilfe erwartet – genau das, was die Südkoreaner nicht geben wollten.» Also macht Nordkorea Druck, auf seine Weise. Lankov erwartet noch weitere Zerstörungen von südkoreanischem Besitz auf nordkoreanischem Grund. Er glaubt, dass die Touristenzone am Berg Kumgang in Gefahr ist.