Aus Anlass des Ukraine-KriegsSchweiz soll verschwiegenem Rohstoffhandel auf die Finger schauen
Ähnliche Überlegungen waren 2015 noch gescheitert – nun fordern die Grünen erneut eine starke Aufsicht über die Rohstoffriesen in Zug, Genf und Lugano.
Die Schweiz ist im Rohstoffhandel ein immens wichtiger Handelsplatz. Im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine wird diese Tatsache zum Politikum – national wie international.
Über die Schweiz laufen 80 Prozent des Rohstoffhandels von Russland. Das brachte dem Land in den vergangenen Tagen viel Kritik ein. Nun kommt innenpolitischer Druck auf.
Die Grünen wollen den Rohstoffhandel in der Schweiz stärker regulieren. Sie fordern den Aufbau einer Aufsichtsbehörde für diesen Bereich – sozusagen eine Parallelbehörde zur Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma). Mit einem verbindlichen Vorstoss soll der Bundesrat damit beauftragt werden, die gesetzlichen Grundlagen für eine solche Regulierungsbehörde zu schaffen.
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Franziska Ryser, Nationalrätin der Grünen, sagt dazu: «Im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine zeigt sich wieder einmal, welche enorme Rolle die Schweiz für den internationalen Rohstoffhandel spielt.» Entsprechenden Handlungsbedarf sieht ihre Partei.
Der Rohstoffhandel habe schon immer eine geopolitisch wichtige Rolle gespielt, die Schweiz sei exponiert – und trage eine Verantwortung. Denn der Rohstoffsektor sei stark anfällig für Geldwäscherei und Korruption. «Der Bundesrat hat in der Vergangenheit bereits auf ein erhöhtes Korruptionsrisiko in dieser Branche hingewiesen», sagt Ryser. «Das kann ein Reputationsproblem für den Wirtschaftsstandort Schweiz werden.»
Die Bedeutung des Rohstoffhandels habe in den vergangenen Jahren stark zugenommen. «Wir brauchen eine Behörde, die den Firmen genau auf die Finger schaut», sagt Ryser. Diese soll zum Beispiel aktiv werden, wenn Unternehmen mit illegal abgebauten Rohstoffen handeln oder wenn Personen, Länder und Firmen beteiligt sind, gegen die Sanktionen verhängt sind.
Fast tausend Firmen in der Schweiz tätig
Das Bundesamt für Statistik weist für das Jahr 2019 genau 935 Firmen aus, die im Rohstoffhandel tätig sind. Vor allem in Genf, Zug und Lugano haben sich richtige Rohstoffcluster gebildet – Tausende Jobs hängen direkt und indirekt mit der Branche zusammen.
Die bekanntesten Firmen in der Schweiz sind Glencore, Trafigura, Gunvor, Vitol und Gazprom. Allein der weltgrösste Rohstoffhändler Glencore mit Sitz im zugerischen Baar macht einen Jahresumsatz von mehr als 200 Milliarden Franken. Zum Vergleich: Der Umsatz von Pharmariese Roche betrug im vergangenen Jahr etwas über 60 Milliarden Franken.
Bereits 2013 lancierten die Grünen die Idee einer Aufsichtsbehörde für den Handel mit Rohstoffen und Nahrungsmitteln. Das vom damaligen Nationalrat Louis Schelbert eingebrachte Ansinnen wurde jedoch zwei Jahre später im Nationalrat deutlich abgelehnt.
Die Nichtregierungsorganisation Public Eye hatte 2014 einen Bericht veröffentlicht, der den Aufbau und die Organisation einer solchen Aufsichtsbehörde skizzierte. Sie nannte diese Rohma – in Anlehnung an die Finma. Am Montag bekräftigte Public Eye die Forderung nach der Schaffung einer solchen Behörde, diesmal im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. Dieser erinnere «daran, wie lückenhaft die Regulierung des Schweizer Rohstoffplatzes ist», heisst es in einer Medienmitteilung.
Die Idee von Public Eye und den Grünen versandete aber. Und auch dieses Mal dürfte es für die Grünen schwer werden, die Motion durchzubringen. Dem Postulat von Schelbert stimmten damals bloss Grüne und SP geschlossen zu.
«Wir müssen uns vor Augen halten, dass eine solche Regulierung international aufgegleist werden muss.»
Hingegen votierte die SVP geschlossen gegen das Ansinnen. SVP-Vertreter Thomas Matter sass bereits damals im Nationalrat. Seine Meinung hat sich seither nicht geändert. Er ist grundsätzlich gegen die Idee einer neuen Aufsichtsbehörde: «Wir brauchen nicht noch mehr Regulierung, auch nicht im Rohstoffbereich.» Die Schweiz könne sowieso nur Dinge regeln, die tatsächlich in der Schweiz passierten. Er befürchte keinen Reputationsschaden für die Schweiz durch die Tatsache, dass der weltweite Handel vielfach über hier ansässige Firmen läuft.
Weiterhin skeptisch gegenüber einer Regulierungsbehörde, wie sie den Grünen vorschwebt, ist Mitte-Nationalrat Leo Müller. Er sieht vor allem auch Schwierigkeiten bei der Umsetzbarkeit.
Gegen das Postulat stellte sich damals auch GLP-Präsident Jürg Grossen. Heute sagt er zur Idee: «Grundsätzlich ist das etwas, was wir genau anschauen müssen. Aber wir müssen uns vor Augen halten, dass eine solche Regulierung international aufgegleist werden muss.» Er verweist auf die Bemühungen der EU mit dem Lieferkettengesetz, das – ähnlich den Zielen der Konzernverantwortungsinitiative – unter anderem den Rohstoffhandel stärker regulieren will. Da müsse die Schweiz unbedingt mitziehen.
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