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Kein Fleisch in der Schule
Das Menü, das die Franzosen rasend macht

In Lyon wird in Schulkantinen ab dieser Woche vorübergehend auf Fleisch verzichtet, es wird nur noch Fisch und Vegetarisches serviert.
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Um dagegen zu demonstrieren, dass Kinder in Lyon in der Schulkantine Fisch essen, haben französische Viehzüchter Kühe vor das Rathaus der Stadt gestellt. Den Kühen wurde Heu serviert, anschliessend wurden Kühe serviert. Es handelte sich dabei nicht um dieselben Tiere.

Die Bauern regen sich über die Entscheidung des grünen Bürgermeisters Grégory Doucet auf, Kindern in ihrer Mittagspause nur noch ein Menü zu servieren anstatt einer Auswahl. Die Bauern werden dabei lautstark von Frankreichs Regierung unterstützt. Innenminister Gérald Darmanin nennt das Schulessen «skandalöse Ideologie», der Agrar- und Ernährungsminister Julien Denormandie sprach «aus sozialen Gesichtspunkten» von einer «Schande». Bürgermeister Doucet reagierte am Dienstagmittag in einem Fernsehinterview unter anderem mit einem erschöpften «Pffff» und fragte, ob die betreffenden Minister «nichts anderes zu tun hätten».

Der Streit ums Schulessen betrifft 29’000 Kinder in Lyon, ist inzwischen aber zu einem nationalen Schaukampf geworden. Am Freitag hatte die Stadt Lyon verkündet, in den Kantinen nur noch ein Menü anzubieten. Vorspeise, warmer Hauptgang, Nachtisch, so wie es sich für eine gute französische Kantine gehört. Allerdings wird beim Hauptgang von diesem Montag an auf Fleisch verzichtet (Fisch und Eier gibt es weiterhin).

Regierung in Paris sieht Nachwuchs gefährdet

Das Rathaus begründet die Entscheidung damit, dass so die neuen Hygieneregeln des Bildungsministeriums befolgt werden können. Um eine weitere Ausbreitung des Coronavirus zu erschweren, sollen Schüler in den Kantinen künftig zwei Meter Abstand halten. Dies könne ermöglicht werden, indem die Kantinenöffnungszeit einerseits auf 2,45 Stunden ausgedehnt und andererseits die Essensausgabe beschleunigt wird, indem alle dasselbe bekommen. Dieses Menü sei fleischfrei, um «kein Kind auszuschliessen», heisst es aus dem Rathaus.

Die eingeschränkte Mittagsauswahl soll zunächst sieben Wochen gelten und wieder abgeschafft werden, sobald die Hygienevorschriften gelockert werden. Es handelt sich bei der Massnahme um keine exklusiv grüne Idee. Der vorige Bürgermeister von Lyon, der Macron-Unterstützer Gérard Collomb, hatte im Frühjahr aus denselben Gründen dieselbe Regel eingeführt. Zu Aufregung hatte das nicht geführt.

«Die moralistische und elitäre Politik der Grünen schliesst die einfachen Leute aus, die nur in der Kantine Fleisch essen können.»

Gérald Darmanin, französischer Innenminister

Dieses Mal ist es anders, und es sind nicht nur die Viehzüchter, die protestieren. Die konservative Opposition in Lyon spricht davon, dass die Grünen die «Pandemie als Vorwand» nähmen, um ihr Wahlversprechen einer vegetarischeren Ernährung in den Schulen durchzusetzen. Und die Regierung in Paris sieht Frankreichs Nachwuchs gefährdet. Es gehe ihm «nur um das Wohl der Kinder», er sei schliesslich auch Ernährungsminister, sagte Denormandie dem Radiosender RTL. Das semi-vegetarische Fischessen sei unter «Ernährungsgesichtspunkten aberwitzig». Ausserdem treffe es «die Schwächsten, die nicht unbedingt Zugang zu ausgewogenen Mahlzeiten haben und die durch solche Entscheidungen bestraft werden».

Innenminister Darmanin erklärte am Samstag auf Twitter dasselbe: «Die moralistische und elitäre Politik der Grünen schliesst die einfachen Leute aus, die nur in der Kantine Fleisch essen können.»

Denormandie stritt ab, damit den Äusserungen seiner Regierungskollegin Barbara Pompili, der Umweltministerin, zu widersprechen. Pompili hatte die Aufregung ums Schulessen eine «prähistorische Debatte» genannt. Man wisse, dass «Fleisch durch Fisch, Eier und Gemüse ersetzt werden kann, die alle nötigen Proteine enthalten». Zudem zeigten Studien, dass Kinder aus ärmeren Schichten mehr Fleisch essen als besser gestellte Kinder.

Grüner Erfolg in den Kommunen

Umweltministerin Pompili und Innenminister Darmanin haben gleichzeitig im Sommer ihre Posten übernommen. Die aus der Ökologiebewegung stammende Pompili soll beweisen, dass es Präsident Emmanuel Macron Ernst meint mit seinem Engagement gegen den Klimawandel. Innenminister Darmanin hingegen, der politische Ziehsohn des konservativen Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy, steht für einen Rechtsschwenk der Regierung.

Bei den Kommunalwahlen im Frühjahr und Sommer konnte Macrons Partei La République en Marche keine einzige Grossstadt gewinnen. Die Grünen hingegen waren so erfolgreich wie noch nie und regieren seit dem Sommer unter anderem Lyon, Strassburg und Bordeaux.