Kommentar zu Wahlen im IranDie Folterzellen sieht man nicht
Khameneis Kalkül geht auf: Er liess einen Reformer antreten, der es in die Stichwahl schafft. Vielen dürfte der Iran demokratischer erscheinen. Was für eine Täuschung.
Ein Traum von Diktatoren? Die Welt berichtet über die Wahl in ihrem Land, eine mit mehreren Kandidaten, mit TV-Debatten, eine, die sogar in die Stichwahl geht. Und sosehr sich die Journalistinnen und Journalisten der Auslandspresse mühen, zu erklären, dass es sich bei einer Wahl um keine demokratische handelt, wenn von 80 Kandidaten nur 6 antreten dürfen, so bleibt am Ende eben doch hängen, was hängen bleiben soll: dass die Menschen nun angeblich die Wahl haben. In einem der unfreiesten Länder Welt. Ein Land, das hinrichten lässt wie kein anderes, abgesehen von China. Rapper werden zum Tod verurteilt, Oppositionelle gefoltert. Häftlinge, die nicht wählen wollen, müssen mit weiterer Haft rechnen oder mit 74 Peitschenhieben.
Sollte Masoud Pezeshkian, der Reformer, gewinnen, wäre es für den wahren Machthaber, den Obersten Führer Ali Khamenei, bestenfalls gute PR. Pezeshkian wäre ein vergleichsweise freundlicher Präsident, der kaum etwas zu melden hätte. Sollte es sein Gegner schaffen, der ultrakonservative Saeed Jalili, dann hätte es Ali Khamenei geschafft, einen engen Vertrauten zu installieren.
Khamenei beherrscht die Kunst der Täuschung: die modernen TV-Studios bei den Debatten der Kandidaten, die Bilder von den Massen, die zur Abschlusskundgebung von Masoud Pezeshkian kamen, die Schlangen vor den Wahllokalen. Klar, aus anderen Autokratien kennt man solche Bilder nicht. Vom Momentum war in manchen Artikeln die Rede, wenn es um Pezeshkians Kampagne ging, ein Wort aus schweizerischen oder amerikanischen Wahlkämpfen – also freien.
All das sah man. Die Folter in den Gefängnissen sieht die Welt nicht. Oder das Leid der Angehörigen, deren Mütter, deren Töchter, deren Männer vom Regime mit dem Tod bedroht werden. Wer sich dem Regime entgegenstellt, wird den Tag der Stichwahl in der Angst verbringen, hingerichtet zu werden.
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