Uber und Lyft in der KriseDie Fahrgäste kommen wieder – doch die Fahrer nicht
Die Taxidienste Uber und Lyft geraten in eine finanzielle Zwickmühle. Sie schreiben Verluste und müssen doch Fahrer mit Boni und Lohn locken, denn sonst kommen die nicht wieder zurück.

Die beiden US-Fahrdienste Uber und Lyft wollten in diesem Jahr endlich profitabel werden. Doch das Coronavirus hat die beiden führenden Transportdienstleister ausgebremst und vor ein unerwartetes Hindernis gestellt: Viele Fahrer wollen nicht mehr zurückkehren. Denn die staatlichen Zuschüsse sind derzeit lukrativer als die Fahrerlöhne.
Dabei wäre der Bedarf der Fahrgäste gross. Uber wies im März die grösste Nachfrage seit der Firmengründung 2009 aus; und auch Lyft profitierte von einer unerwartet starken Erholung aus der Schockstarre der Pandemie. Doch zwei Probleme – die Gesundheitsrisiken und die Entlöhnung – beschäftigen die Fahrer weiterhin, räumte Uber kürzlich bei der Publikationen der Geschäftszahlen ein.
Uber will die Fahrer mit Bonuszahlungen von insgesamt 250 Millionen Dollar zurückholen.
Deswegen bleibe die Maskenpflicht für Fahrgäste trotz grosser Fortschritte bei der Impfung obligatorisch, und deswegen wolle man Fahrer mit Bonuszahlungen von insgesamt 250 Millionen Dollar zurückbringen.
Auch Lyft will finanzielle Anreize ausrichten, und beide Unternehmen wollen den Fahrern einen höheren Anteil der Einnahmen überlassen. In Grossstädten wie Philadelphia und Chicago machten die Fahrer gemäss Uber bereits 31 Dollar bzw. 29 Dollar pro Stunde, angeblich bis zu 75 Prozent mehr als vor der Pandemie.
Lohn stimmt nicht
Seine grosse Sorge sei, dass der Fahrermangel das finanzielle Ergebnis im zweiten Halbjahr belasten könnte, erklärte Uber-Chef Dara Khosrowshahi. Damit wäre fraglich, ob die Gewinnschwelle endlich erreicht wird. Noch letztes Jahr schrieb Uber einen Verlust von über 4 Milliarden Dollar. Uber und Lyft sind so in eine Situation geraten, die sie seit Jahren aktiv verhindern wollten. Sie müssen mehr Aufwand für ihre Fahrer verbuchen, sei es als Boni oder als Anteil an den Fahreinnahmen, um die Nachfrage zu befriedigen.

Ihre Geschäftsmodelle sind aber auf billige Arbeitskräfte ausgelegt, die nicht als Angestellte mit den üblichen sozialen Nebenleistungen behandelt werden. Krankenkasse, Pension und Altersvorsorge zahlen sie selber. Auch die Betriebskosten für das Fahrzeug fallen auf die Fahrer zurück. Im besten Fall macht ein ganzjährig arbeitender Fahrer 36’000 Dollar, hat das Massachusetts Institute of Technology errechnet.
Aber im Schnitt liegt der Stundenlohn nach Abzug aller Kosten nur zwischen 8.55 und 11.77 Dollar. Dieses Kalkül machten auch die Fahrer, die nicht mehr ans Lenkrad zurückwollen. Sie verglichen ihre Löhne, inklusive einer «Sick-Pay», mit den Corona-Lohnausgleichszahlungen der Regierung und entschieden sich für die staatlichen Zuschüsse von fast 3000 Dollar. Demgegenüber zahlte Uber nach eigenen Angaben 100’000 Fahrern zusätzlich 290 Dollar.
Viele Fahrer sind zu Hauslieferdiensten wie GrubHub oder DoorDash abgesprungen und wollen dortbleiben.
Ins Gewicht fällt auch, dass das Risiko einer Corona-Infektion beim Hauslieferdienst geringer ist als beim Taxidienst, weswegen viele Fahrer zu GrubHub oder DoorDash abgesprungen sind und dortbleiben wollen. Schliesslich schlug auch der Erfolg einer Volksabstimmung von letztem Jahr negativ auf die Firmen zurück. Mit 200 Millionen Dollar – der teuersten Kampagne in der Geschichte Kaliforniens – bodigten Uber und Lyft, unterstützt von interessierten Venture-Capital-Firmen, eine Initiative, die sie zwingen wollte, die Fahrer als Angestellte mit allen sozialen Nebenleistungen und Mindestlöhnen einzustellen.
Die Initiative scheiterte mit 58 Prozent Nein-Stimmen und hinterliess einen bitteren Nachgeschmack. Gemäss einer Umfrage durch das Onlineportal Insider war das für viele Fahrer eine Niederlage zu viel. Die Kampagne hat aus ihrer Sicht bewiesen, dass Uber und Lyft keinen Respekt für die Fahrer haben.
Cannabis lockt
Der Kampf ist indessen noch nicht beendet. Im Februar entschied das höchste Gericht Grossbritanniens zugunsten von Uber-Fahrern und ihrer Forderung nach besseren Anstellungsbedingungen. Das Urteil gilt als wegweisend, das Uber zum ersten Mal zwingt, das Beschäftigungsmodell zu ändern. 70’000 Fahrer sollen nun rückwirkend entschädigt werden, ohne zunächst allerdings einen vollen Arbeitsvertrag zu bekommen. Das britische Arbeitsrecht lässt diese Zwischenlösung zu, die in den USA nicht möglich wäre.

Dafür zählen Uber und Lyft in den USA auf die Entkriminalisierung von Cannabis. Derzeit sind Cannabislieferungen nur in Kalifornien, Oregon, Nevada und New York zugelassen, doch wird damit gerechnet, dass die Regierung Biden den Handel mit Cannabis im ganzen Land freigibt. Damit würde sich den Fahrdienstleitern ein lukrativer Markt von zahlungskräftigen jüngeren Kunden erschliessen, wie der Uber-Chef sagt: «Wenn der Weg auf nationaler Ebene offen ist, wird uns das sehr interessieren.»
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