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Abkommen mit der Schweiz
Die EU lässt nicht locker

Sieht man sich bald wieder? Bundespräsident Guy Parmelin und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen bei ihrem Treffen kurz vor dem Abbruch der Verhandlungen zum Rahmenabkommen.
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Es hätte ein Befreiungsschlag sein sollen. Als der Bundesrat am 26. Mai die mühevollen Verhandlungen mit der EU über das Rahmenabkommen abbrach, wollten einige in der Schweiz dies als Akt der Souveränität sehen. Doch nach dem Rahmenabkommen könnte vor dem Rahmenabkommen sein. Brüssel dürfte schon im Herbst einen frischen Anlauf für eine neue Grundlage der bilateralen Beziehungen nehmen. Und die EU lässt die Schweiz ihren Ärger über den Übungsabbruch spüren.

Zuerst hat es die Hersteller von Medizinalprodukten in der Schweiz getroffen. Schweizer Firmen können ihre Erzeugnisse wie Prothesen oder Röntgengeräte nur noch mit grösserem administrativen Aufwand in die EU exportieren. Vereinzelt ist bereits die Rede von ersten Jobverlagerungen. Dies alles, weil sich die EU weigert, das Abkommen über die technischen Handelshemmnisse zu aktualisieren. 2023 wäre ein Update für Produkte der Maschinenindustrie fällig. Dann würde es um viel grössere Handelsvolumen gehen.

Ohne Schweizer Forschende

Brüssel hat auch die Drohung wahr gemacht, vorerst mit der Schweiz nicht über eine Assoziierung beim EU-Forschungsprogramm Horizon Europe zu reden. Die Verhandlungen mit anderen Drittstaaten wie Norwegen, Ukraine, Türkei oder Grossbritannien laufen schon oder sollen nächstens starten. Mit der Schweiz will die EU-Kommission erst reden, wenn die Kohäsionsmilliarde überwiesen ist. Die Chance ist zwar da, dass das Parlament das Geld im September freigibt. Die Verzögerung bedeutet aber jetzt schon für Forschende in der Schweiz einen Startnachteil, wenn es um die Verteilung der 95 Milliarden Euro aus dem EU-Programm geht. (Lesen Sie hier mehr dazu)

Gleichzeitig ist Brüssel noch dabei, den Schock zu verarbeiten. Verhandlungen werden manchmal suspendiert oder auf Eis gelegt. Aber dass ein Partner einfach so vom Tisch aufsteht, hat es noch nie gegeben. Selbst mit den Briten hat man sich am Ende geeinigt. Diese Woche hat Maros Sefcovic, Vizepräsident der EU-Kommission, zuerst die Aussenminister der Mitgliedsstaaten informiert und sich dann einer kurzen Debatte im EU-Parlament gestellt. Im Kreis der Mitgliedsstaaten scheint niemand so richtig verstanden zu haben, was den Schweizer Bundesrat geritten hat. In der zehnminütigen Diskussion meldeten sich neben Österreich nur noch Italien und Slowenien. Auch am EU-Gipfel am Donnerstag legte Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz ein gutes Wort für die Schweiz ein.

Die Wortmeldungen gehen allerdings nicht über unverbindliche Floskeln hinaus. Man preist die engen Beziehungen, wünscht sich, dass beide Seiten sich bewegen, und pocht gleichzeitig darauf, wie wichtig gleiche Spielregeln für alle sind. Wie das alles aufgehen soll, bleibt unklar. Ähnlich im EU-Parlament, wo ein gutes Dutzend Abgeordnete sich zu Wort meldete. Von links bis rechts Enttäuschung bis Empörung, dass die Schweizer Regierung einfach so die «Tür zugeknallt» habe. Sozialdemokraten und Grüne hinterfragen immerhin, ob die EU-Kommission mit ihrer harten Haltung gegenüber dem Schweizer Lohnschutz wirklich geschickt agiert habe. Uneingeschränkten Applaus für den Schweizer Aufstand gegen den Brüsseler «Imperialismus» gibt es nur von Abgeordneten aus den Fraktionen der Euroskeptiker und Rechtsextremen. Hat die Schweiz die Freunde, die sie verdient?

Drohkulisse der Erosion

Kommissionsvize Maros Sefcovic will bis im Herbst die Verpflichtungen gegenüber der Schweiz genauer analysieren und dann Vorschläge präsentieren, wie es weitergehen soll. Dies immer vor der Drohkulisse der schleichenden Erosion der bilateralen Abkommen. Wo genau liegen die Interessen der EU, und wo könnte es zu weiteren sogenannten Nadelstichen kommen? Ein «Business as usual» oder ein «Zurück zur Tagesordnung» soll es jedenfalls nicht geben. Der Weg zeichnet sich ab: Dort, wo es im übergeordneten Interesse der EU liegt, wird Brüssel auch ohne Rahmenabkommen zu Updates bereit sein. Andere Abkommen wie jenes zu den Handelshemmnissen wird die Kommission auslaufen lassen, bis sie obsolet sind.

Sefcovic machte jedoch auch klar, dass die EU nach dem Scheitern des Rahmenabkommens nicht aufgeben will. Die Frage gleicher Wettbewerbsregeln und gemeinsamer Streitschlichtung dürfte sich dann rasch wieder stellen.

Vielleicht brauche es beim nächsten Anlauf für ein Rahmenabkommen einfach einen neuen Namen, der beim Schweizer Publikum besser ziehe, meinte Andreas Schwab, Vorsitzender der für die Schweiz zuständigen Delegation im EU-Parlament. Der deutsche Christdemokrat schlug «Abkommen zur besseren Zusammenarbeit» vor. Das war wohl nur ein erster, vielleicht auch ironisch gemeinter Versuch. Der damalige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sprach einst von einem «Freundschaftsvertrag», was in der Schweiz auch nicht besonders gut ankam.

Da gab es noch Hoffnung: Das Gipfeltreffen zwischen Bundesratsspitze und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos im Januar 2020.