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Vorbeugung
«Die Darmspiegelung ist die wichtigste Vorsorge-Methode»

«Erfreulicherweise sind die Überlebenschancen beim Darmkrebs gestiegen»: Experte Kaspar Truninger.
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Herr Truninger, warum gehört Darmkrebs immer noch zu den häufigsten Krebsarten?

Die Fallzahlen sind weltweit sehr unterschiedlich, vermutlich bedingt durch Lebensstil und Ernährung. Der Trend zeigt aber, dass Neuerkrankungen in den Entwicklungsländern tendenziell zunehmen, während sie bei uns und in anderen industrialisierten Ländern abnehmen.

Das ist doch eine gute Nachricht für uns?

Man muss allerdings unterscheiden: Die positive Entwicklung gilt nur für die Menschen über 50. Bei den jüngeren ist der Trend umgekehrt, das heisst, wir sehen hier eine deutliche Zunahme der Neuerkrankungen.

Welches sind die Gründe?

Da spielen wohl vor allem Lebensstilfaktoren mit, insbesondere zu wenig körperliche Aktivität und eine zu fett- und zuckerreiche Ernährung sowie damit einhergehendes Übergewicht. Daher empfehlen inzwischen auch einige Fachgesellschaften, mit der Darmkrebsvorsorge bereits ab 45 Jahren zu beginnen.  Die renommierte US-amerikanische Vereinigung für Gastroenterologie AGA zum Beispiel wirbt aktuell mit dem Slogan «45 ist das neue 50»

Der Experte: Kaspar Truninger (60) ist Facharzt FMH für Gastroenterologie und Innere Medizin mit langjähriger klinischer Erfahrung. Derzeit praktiziert er in Zürich und Langenthal. Daneben ist er auch am Departement Biomedizin der Universität Basel in der Forschung tätig, u. a. als Leiter der Swiss Epigenetic Cohort (Swepic) Study, welche die Interaktion von Alter, Lebensstil und genetischen Veränderungen im Dickdarm erforscht mit dem Ziel, neue effiziente Vorsorgemethoden zu entwickeln.

Gibt es da neue Möglichkeiten – die Darmspiegelung ist ja nicht gerade beliebt?

Was die Entstehung von Darmkrebs betrifft, gibt es tatsächlich zahlreiche neue Erkenntnisse zu den frühen molekularen Veränderungen dieser Krankheit. Dieses Wissen zeigt sich aber noch nicht in der breiten Anwendung neuer Vorsorgetests: Die Darmspiegelung und die regelmässige Untersuchung auf unsichtbares, sogenannt okkultes Blut im Stuhl sind weiterhin die wichtigsten Methoden.

Welches sind typische Anzeichen für eine Darmkrebserkrankung?

Zuverlässige Frühsymptome gibt es leider nicht. Darmkrebs und seine Vorstufen, sogenannte Polypen, entstehen langsam im Laufe von Jahren. Mögliche Warnzeichen sind Blut im Stuhl, veränderte Stuhlgewohnheiten, Blähungen mit unwillkürlichem Stuhlabgang oder Schleim, krampfartige Bauchschmerzen, Müdigkeit, Gewichtsverlust. Aber wie gesagt, meist spüren die Betroffenen mit Polypen und heilbarem Darmkrebs im Frühstadium nichts oder nur wenig. Daher ist die Vorsorge so entscheidend. In der Schweiz übernehmen die Krankenkassen ja ab 50 bis 69 die Kosten für die Darmspiegelung. 

Männer scheinen anfälliger zu sein für Darmkrebs als Frauen? 

Tatsächlich dokumentieren zahlreiche Studien, dass Männer häufiger an Darmkrebs erkranken. Dasselbe gilt für Polypen. Noch sind allerdings die Ursachen dieser Differenz weitgehend unbekannt. Gemäss einer neuen Untersuchung aus Deutschland können bekannte Risikofaktoren wie Ernährung, Übergewicht, Rauchen, Bewegung und dergleichen nur rund die Hälfte des erhöhten Risikos von Männern erklären. Die Ursachen der zweiten Hälfte des geschlechtsspezifischen Unterschiedes sind demnach unklar, möglicherweise spielen hier Hormone eine Rolle. 

Weibliche Hormone haben offenbar einen gewissen Schutzeffekt: Wie ist das erklärbar?

Die Entstehung und Progression von Darmkrebs scheint hormonabhängig zu sein. Indem Östrogene, also weibliche Hormone, an Rezeptoren andocken, können sie zahlreiche molekulare Signalpfade und damit die Funktion und das Verhalten von Zellen beeinflussen. Insgesamt sind aber die zellulären und molekularen Mechanismen des Östrogen-bedingten Schutzeffektes bis heute nur ungenügend verstanden. Erwähnenswert ist, dass Frauen nicht nur seltener Polypen und Darmkrebs entwickeln, bei ihnen treten diese auch durchschnittlich vier bis acht Jahre später auf als bei Männern. Eventuell ist auch dies auf den Einfluss der Hormone zurückzuführen.

Dafür spräche auch, dass Frauen, die eine Hormonersatztherapie gemacht haben, ein geringeres Darmkrebsrisiko aufweisen. 

Verschiedene Studien haben in der Tat gezeigt, dass eine Hormonersatztherapie in der Menopause das Darmkrebsrisiko senkt. Die Daten sind aber teilweise kontrovers. Denn in einigen Meta-Analysen – darunter versteht man die Auswertung der Ergebnisse vieler Studien zu einem Thema – wurde der schützende Effekt der Hormonersatztherapie als neutral bis allenfalls gering beurteilt. Hormone einzunehmen, einzig um damit einem Darmkrebs vorzubeugen, wird daher nicht empfohlen – auch wegen möglicher Nebenwirkungen.

«Patientinnen und Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und Diabetes Typ 2 weisen generell ein erhöhtes Darmkrebsrisiko auf.»

Welche anderen Faktoren spielen bei der Entstehung von Darmkrebs eine Rolle?

Polypen und Darmkrebs haben weitgehend die gleichen Risikofaktoren. Deren Häufigkeit nimmt mit steigendem Alter zu, dabei kann das Risiko durch den Lebensstil und die Ernährung beeinflusst werden: Rauchen, Bewegungsmangel, Übergewicht, erhöhter Alkoholkonsum sowie eine fettreiche Ernährung mit viel rotem Fleisch erhöhen das Risiko. Senken können es dagegen ein gesunder Lebensstil mit Normalgewicht, viel Bewegung und reichlich Zufuhr von Ballaststoffen, Gemüse und Obst. Patientinnen und Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und Diabetes Typ 2 weisen generell ein erhöhtes Darmkrebsrisiko auf. Zudem gibt es auch Menschen mit einer familiären Neigung zu Darmkrebs. Für diese Risikogruppen muss das Alter für die vorsorgliche Darmspiegelung individuell festgelegt werden. 

Wenn jemand trotz allem an Darmkrebs erkrankt: Wie stehen heute die Heilungschancen? 

Erfreulicherweise sind die Überlebenschancen bei uns und in anderen Industrieländern in den letzten Jahren gestiegen. Dies vor allem dank verbesserter Therapieoptionen. So wird heute das Tumorgewebe standardmässig auf verschiedene genetische Mutationen untersucht, die für die Zusammensetzung der Chemotherapien entscheidend sind. Die Darmkrebsbehandlung wird zunehmend personalisiert, also auf den Patienten oder die Patientin zugeschnitten.

Gibt es auch hier Unterschiede zwischen den Geschlechtern?

Ja, die Überlebenschance für Frauen ist etwas besser – vor allem, wenn die Erkrankung in jüngeren Jahren auftritt. Unter Umständen ist auch dieser Vorteil hormonell bedingt.