Warten mit der zweiten Impfdosis?Die Corona-Taskforce ist uneins
Soll die Schweiz mit der zweiten Dosis von Biontech/Pfizer drei Monate zuwarten, um in der Zwischenzeit mehr Menschen impfen zu können? Um diese Frage ist bei den Experten des Bundes ein Streit entbrannt.
«Wir sollten nicht die Effizienz der Impfungen aufs Spiel setzen, weil wir momentan zu wenige Impfdosen haben.» So reagierte Virgine Masserey vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) in der Bundesrats-Medienkonferenz vom Mittwoch auf eine Forderung eines Mitglieds der Corona-Taskforce des Bundes. Und Bundesrat Alain Berset verteidigte die bisherige Impfpraxis: «Nach der ersten Dosis warten wir drei bis vier Wochen mit der zweiten Dosis, um die optimale Wirkung zu erzielen.»
Was war passiert, dass diese Stellungnahmen nötig wurden? Eine Expertengruppe innerhalb der Covid-Taskforce hatte vorgeschlagen, die zweite Dosis erst etwa drei Monate nach der ersten zu verabreichen, um der gegenwärtigen Impfstoffknappheit zu begegnen. Das verlangte Christian Münz, Leiter der Expertengruppe Immunologie der Covid-Taskforce, gegenüber der Sendung «Rundschau» von SRF.
Die Covid-Taskforce reagierte auf die Forderung umgehend und bezeichnete die Aussage als Einzelmeinung. Sie pfiff Münz indirekt gar zurück, indem sie betonte, es handle sich bei der Aussage nicht um die Meinung der Taskforce. Auf Anfrage dieser Zeitung präzisierte die Taskforce, dass sie konsolidierte Meinungen publiziere. Auch via Twitter verwies sie darauf, dass es sich nicht um eine offizielle Position der Swiss Science Taskforce handle. Ein paar Stunden später folgte ein weiterer Tweet, in dem die Taskforce mitteilte, dass sie derzeit keinen Anlass sehe, die vorgesehenen drei bis vier Wochen Wartezeit zwischen erster und zweiter Impfung infrage zu stellen.
Der Bundesrat will sich impfen lassen
Münz, Professor an der Universität Zürich, begründete seine Überlegung mit Studien, die zeigten, dass der Grundschutz der ersten Impfung bis zu drei Monate bestehen bleibe. «Man kann somit das Risiko eingehen, die zweite Impfdosis um bis zu drei Monate zu verzögern», sagt Münz. Diese geänderte Verabreichungspraxis ist in Grossbritannien bereits eingeführt. Sie wird auch in Deutschland von namhafter Seite angeregt. Sollte die Schweiz bald über andere Impfstoffe in genügender Quantität verfügen, dürfte sich der Streit über Verabreichungsintervalle des Biontech/Pfizer-Impfstoffs wohl erübrigen.
Ist es so weit, will auch der Bundesrat nicht hintanstehen. Sobald der zweite Impfstoff in der Schweiz zugelassen sei, werde sich auch der Bundesrat impfen lassen, sagte Bundesratssprecher André Simonazzi am Mittwoch auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Damit werden sich die ersten Mitglieder des Bundesrats also impfen lassen, wenn der Impfstoff von Moderna in der Schweiz zugelassen und vorhanden ist. Dabei folge der Bundesrats einerseits den Kriterien der Impfstrategie des Bundes und berücksichtige andererseits die individuellen beruflichen Bedürfnisse der Regierungsmitglieder, schreibt Simonazzi.
Die EU-Kommission hat am Mittwoch grünes Licht für den Impfstoff des US-Herstellers Moderna gegeben. So wird nun auch eine baldige Zulassung in der Schweiz erwartet.
Bislang hat die Schweiz 233’000 Dosen des Impfstoffs von Biontech/Pfizer erhalten, von insgesamt drei Millionen bestellten Einheiten. Vom Moderna-Impfstoff hat die Schweiz 7,5 Millionen Dosen bestellt.
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