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Kommentar zur Neutralität der Schweiz
Die bilaterale Lebenslüge

Schweizer und EU-Flagge auf Tisch, Symbol für Abstimmung über bilaterale Verträge.
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Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, Teil eines Theaters zu sein. Die Mitte-Partei findet kaum jemanden, der in den Bundesrat will, und doch präsentiert sie uns nun zwei Kandidaten, die niemand will oder niemand kennt, als wären es Superstars.

Gleichzeitig sagen uns die amtierenden Bundesrätinnen und Bundesräte, es habe kein Geld in der Kasse, nur um kurz darauf 2 Milliarden Franken Sondereinnahmen aufzufinden. Vor Weihnachten einigen sich dieselben Magistratinnen und Magistraten mit der EU auf ein neues Abkommen, von dem keiner weiss, was es beinhaltet. Es fängt damit an, dass das Werk keinen Namen hat. Geht es bei der Einigung um die bilateralen Verträge III, um einen Rahmenvertrag 2.0 oder das Stromabkommen, das angeblich sehr wichtig ist? Niemand weiss es so genau, denn der Text ist unter Verschluss.

Zwei Monate nach der angeblichen Einigung zwischen der EU und der Schweiz gab es wieder eine Einigung, nämlich zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitgebern. Und wieder weiss man nicht, worauf sich diese geeinigt haben. Klar, es gab ein paar Informationen darüber, nach wie vielen Tagen sich wer melden muss, wenn er einen Auftrag in der Schweizer Baubranche bekommt. Aber ob es jetzt mehr Gesamtarbeitsverträge gibt, um die Schweizer Löhne zu garantieren, das weiss niemand so genau.

Irgendwie einigen sich in Bern alle, aber als Beobachter ist man so klug wie zuvor. Nicht gerade beruhigend ist, dass es offenbar den Involvierten ähnlich geht. Denn wie kann es sonst sein, dass niemand diese Einigungen für gut erklären will und sich dafür einsetzt. Also muss es doch einen Haken geben. Das sagt nicht etwa Christoph Blocher, der mit seiner SVP immer gegen alles ist, was von der EU kommt. Nein, das sagt die frühere EU-Befürworterin und Ex-Aussenministerin Micheline Calmy-Rey.

Und sie stellt die Frage, die sich viele stellen: Ist der Preis für die Einigung mit der EU nicht zu hoch, wenn in Zukunft die Schweiz EU-Recht de facto nachvollziehen muss und die direkte Demokratie in wichtigen Gebieten abgeschafft wird?

«Wenn wir abstimmen, aber dafür bestraft werden, wenn wir Nein sagen – welchen Sinn hat es dann, ein Referendum abzuhalten?» Das ist die Frage, die in Bern im Moment niemand beantworten will, weil keiner die Antwort kennt. Darum will der Bundesrat drei Jahre warten, bis er das Volk abstimmen lässt. Darum haben nicht einmal die bürgerlichen Parteien der Mitte, also FDP und Mitte, für die Bilateralen III Position bezogen.

Was hinzukommt, ist die Rückkehr des kalten Kriegs. In einer Welt, in der es wie vor 40 Jahren Blöcke gibt, hat auch die EU einen anderen Stellenwert. Kommt es, wie von Donald Trump propagiert, zu einem raschen Waffenstillstand in der Ukraine, so werden die Europäer ihn absichern müssen. Damit nimmt die EU Partei gegen Russland, und für die Schweiz wird es wegen ihrer Neutralität noch schwieriger, sich ihr anzunähern. Wollen wir diese behalten, können wir uns nicht an die EU binden. Aus lauter Angst vor den Konsequenzen spielt man in Bern lieber weiter Polittheater, und die Einigung mit der EU wird zur Lebenslüge.