Unglück in VilniusFunkverkehr liefert erste Anhaltspunkte zum Absturz von DHL-Frachtflugzeug
Laut Erkenntnissen aus Litauen gibt es keine Anzeichen für Sabotage beim Absturz des deutschen Frachtflugzeugs. Die Piloten hatten aber offenbar mit Problemen zu kämpfen.

Drei Tage nach dem Absturz eines DHL-Frachtflugzeugs in der litauischen Hauptstadt Vilnius ist nach wie vor unklar, was genau zum Unglück geführt hat. «Nach allem, was wir wissen, gibt es aber keine Anzeichen dafür, dass ein Sabotageakt vorliegen könnte», sagte Verteidigungsminister Laurynas Kasciunas gemäss dem litauischen Rundfunk.
Laut Kasciunas ergaben eine vorläufige Analyse und eine erste Befragung von überlebenden Besatzungsmitgliedern, dass es keine äusseren Einwirkungen auf das landende Swiftair-Flugzeug gab. Von den befragten Besatzungsmitgliedern habe keines Ungewöhnliches an Bord bemerkt.
Genauere Informationen sollten relativ bald vorliegen: Die Ermittler gehen davon aus, dass die Daten des Flugdatenschreibers und des Stimmenrekorders des abgestürzten Frachtflugzeugs aus Deutschland innerhalb einer Woche extrahiert werden können. «Die Flugdatenschreiber-Erkenntnisse sind eher technischer Natur und konzentrieren sich auf die Systeme und die Leistung des Flugzeugs, und die Erkenntnisse beim Stimmenrekorder sind auf den Menschen ausgerichtet und konzentrieren sich auf das Verhalten der Besatzung, die Kommunikation und das Situationsbewusstsein», sagte ein Sprecher des litauischen Justizministeriums. Beim Absturz starb ein Besatzungsmitglied aus Spanien, die anderen drei, aus Deutschland, Spanien und Litauen stammenden Besatzungsmitglieder wurden verletzt.
Die untergegangene Zahl
Einen ersten Eindruck, was kurz vor dem Absturz im Cockpit passiert ist, vermitteln der Funkverkehr zwischen der Crew an Bord der Maschine und den Fluglotsen sowie Flugdaten, die das Nachrichtenmagazin «Spiegel» ausgewertet hat. «Eine erste Sichtung und vorsichtige Deutung der spärlichen verfügbaren Daten lässt eher auf ein fliegerisches als auf ein technisches Problem schliessen», sagt Flugcaptain und Flugzeugbauingenieur Claus Cordes in dem Bericht. Laut Cordes ist es Usus, dass durchzustarten sei, wenn der Anflug in 1000 Fuss, etwa 300 Meter, Höhe nicht stabilisiert werden könne. Genau dies sei im Fall der im Auftrag der DHL eingesetzten Swiftair-Maschine nicht passiert.
Videos und auch die öffentlich zugänglichen Daten legen nahe, dass das Frachtflugzeug sich in einem instabilen Anflug befand und eher zu schnell unterwegs war. Dabei waren die äusseren Bedingungen in Vilnius gut, die Landebahn soll klar sichtbar gewesen sein. Laut dem «Spiegel» gab es aber ein Problem zwischen der Crew und der zuständigen Fluglotsin. Nach einem Missverständnis verfehlte das Flugzeug den finalen Anlaufweg auf die Landebahn. Während des Korrekturmanövers bat die Fluglotsin die Crew, auf die Tower-Frequenz für den Endanflug zu wechseln. Doch offenbar ging bei der Kommunikation eine Zahl unter. Die Crew befand sich danach auf einer falschen Frequenz und funkte ins Leere.
Auch die später kommende Landeerlaubnis erreichte die Piloten offenbar nicht. Erklären lässt sich der Absturz damit nicht. Zwischen Crew und Lotsen kann es immer wieder mal zu Missverständnissen kommen. Der «Spiegel» vermutet, dass die Piloten während des Endanflugs damit beschäftigt waren, die Boeing 737-400 zu stabilisieren und den Kontakt zu den Fluglotsen wieder herzustellen, und dabei den Endanflug vernachlässigt haben.
DHL: Bombentheorie lässt sich nicht erhärten
Der Flugzeugabsturz wirft vor allem auch deshalb Fragen und Befürchtungen auf, weil deutsche Sicherheitsbehörden Ende August vor «unkonventionellen Brandsätzen» gewarnt hatten, die von Unbekannten über Frachtdienstleister verschickt würden. Die Warnung wurde damals in Sicherheitskreisen mit einem Vorfall im DHL-Logistikzentrum Leipzig in Verbindung gebracht, das als weltweites Drehkreuz des Unternehmens fungiert. Dort soll im Juli ein aus dem Baltikum verschicktes Paket Feuer gefangen haben, das einen Brandsatz enthielt. Die DHL gibt aber an, dass für den Flug nach Vilnius keine Fracht geladen gewesen sei, die zu der Bombentheorie passen könnte.
DPA/nlu
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