Ampel-Einigung auf BudgetDie deutsche Regierung gibt ein Lebenszeichen von sich
Nach monatelangem Streit haben SPD, Grüne und FDP beschlossen, die Schuldenbremse einzuhalten. Ihre Koalition dürfte nun wohl bis Herbst 2025 im Amt bleiben.
Selten haben deutsche Regierungsparteien so miteinander gestritten wie SPD, Grüne und FDP zuletzt um das Budget für 2025. Da es bei der Verteilung des Geldes für die drei Koalitionäre nicht nur darum ging, 30 bis 40 Milliarden Euro einzusparen, sondern auch um eherne Prinzipien ihrer Politik, war eine Einigung so schwierig, dass am Ende niemand einen Bruch des Bündnisses und Neuwahlen im Herbst mehr ausschliessen wollte. In einer Zeit enormer politischer Unsicherheit, da ein Umsturz in Frankreich, Grossbritannien, den Niederlanden und den USA vollzogen ist oder bevorsteht, wäre das für Europa eine weitere schwere Belastung gewesen.
Bis fünf Uhr morgens verhandelten Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) deswegen, um einen Kompromiss zu finden – am letzten Tag, bevor der Bundestag für zwei Monate in die Sommerferien geht.
«Mit diesem Haushalt schaffen wir Sicherheit und Stabilität in einer Zeit von Unruhe und Verunsicherung», erklärte Scholz, begleitet von Habeck und Lindner, vor den Medien denn auch das zentrale Motiv der Einigung. «Die Alternative dazu ist eben keine Alternative: die Nerven zu verlieren, hinzuschmeissen, vor der Verantwortung wegzulaufen.» Deutschland müsse ein Stabilitätsanker in Europa bleiben.
«Ein beeindruckendes Gemeinschaftsprodukt»
Die Ampel-Koalition, erläuterten ihre Spitzen, habe sich auf ein Budget 2025, einen Nachtragshaushalt für 2024 und eine Wachstumsinitiative für die stagnierende Wirtschaft geeinigt, die alle in Einklang mit der geltenden Schuldenbremse stünden – dies war eine zentrale Forderung von Lindners FDP gewesen. Trotz eines leicht geringeren Gesamtbudgets von 481 Milliarden Euro steigen die Investitionen 2025 von 53 auf 57 Milliarden, die Neuverschuldung soll von 50 auf 44 Milliarden sinken.
Scholz lobte die Einigung als «beeindruckendes Gemeinschaftsprodukt» oder gleich als «Kunstwerk». In Wirklichkeit ist diese voller Verschiebungen und Kunstgriffe – hoch technischer Lösungen also, die kaschieren müssen, dass sich die Koalitionspartner in zentralen politischen Fragen nicht einig sind.
Bislang sind auch nur «Eckwerte» vereinbart. Mitte Juli soll ein mit exakten Zahlen versehener Vorschlag vom Kabinett beschlossen werden, der dann ab September im Bundestag beraten werden wird. Bis zum Ende dieses Prozesses werden die Regierungsparteien gewiss noch viele Möglichkeiten erhalten, sich über Details erneut zu zerstreiten.
Der Tanz um die goldene Schuldenbremse
Kanzler Scholz stand unter enormem Druck seiner eigenen Partei, von der FDP angedrohte Sparmassnahmen bei Sozialleistungen abzuwehren und zugleich höhere Investitionen in Sicherheit, Infrastruktur und ökologische Transformation sicherzustellen. Die SPD forderte zu diesem Zweck, erneut eine Haushaltsnotlage auszurufen. Diese hätte es erlaubt, die Schuldenbremse teilweise auszuhebeln, beispielsweise um die fast 30 Milliarden Euro schwere Unterstützung der Ukraine zu finanzieren, ohne bei anderen Ambitionen zu sparen.
Scholz gelang das Erste, bei der Schuldenbremse lief er aber auf. Ihre erneute Aufweichung war für Lindners FDP erklärtermassen eine rote Linie, die diese nicht zu überschreiten bereit war. Dabei fordern mittlerweile nicht nur der Internationale Währungsfonds oder die OECD Deutschland auf, sich stärker zu verschulden, um mehr zu investieren, sondern auch die wichtigsten Wirtschaftsverbände, die sogenannten Wirtschaftsweisen oder die Bundesbank.
Entsprechend fielen die Reaktionen im Bundestag aus. Bei der SPD zeigte man sich «angefressen» über die fiskalische Halsstarrigkeit der Liberalen, die Grünen wollten erst mal genau «prüfen», bevor man Kritik äussere, die FDP hingegen zeigte sich hoch erfreut über die Einhaltung der Schuldenbremse. Friedrich Merz, Vorsitzender der oppositionellen Christdemokraten, stimmte Lindner darin zu. CSU-Chef Markus Söder kritisierte das Wachstumspaket, das von einer echten «Wirtschaftswende» weit entfernt sei: Deutschland brauche eine «umfassende Fitnesskur, nicht Rheumadecke und Notfallpflaster».
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