Migrationspolitik in DeutschlandDie neue Regierung verschärft den Asylkurs
Zurückweisungen an den Grenzen, mehr Abschiebungen und weniger Hilfe für ukrainische Geflüchtete: Was die härtere Gangart der neuen Regierung in der Migrationspolitik bedeutet.

Noch im Wahlkampf hatte der deutsche CDU-Chef Friedrich Merz seinen Anhängern von Tag eins seiner Kanzlerschaft eine Asylwende versprochen. Auch bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags am Mittwoch blieb Merz bei seiner Linie. Allerdings konnte er viele Pläne in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD gar nicht durchsetzen. «Deutschland ist ein weltoffenes Land und wird es auch bleiben. Das Grundrecht auf Asyl bleibt unangetastet», heisst es nun im Koalitionsvertrag. Was also wird sich an Deutschlands Grenzen wirklich ändern?
Was ändert die Regierung an Deutschlands Grenzen?
CDU/CSU und SPD haben sich auf die von Friedrich Merz auch in Asylfällen geforderten Zurückweisungen geeinigt. Allerdings sollen sie nur «in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn» erfolgen. Diese Einschränkung hat die SPD der Union in den Verhandlungen abgerungen.
Entscheidende Nachbarn wie Polen oder Österreich denken jedoch gar nicht daran, Merz’ Pläne mitzutragen. Im Gegenteil: Österreich und Polen hatten sich zuletzt klar gegen das Vorhaben ausgesprochen. Damit ist fraglich, ob es die rechtlich und humanitär äusserst umstrittenen Zurückweisungen in Asylfällen auch wirklich geben wird.
Klar ist nur: Geht die neue Regierung im Alleingang und gegen den Willen der Nachbarn härter vor, wäre heftiger Streit ausgerechnet mit jenen Ländern programmiert, die der künftige Kanzler Merz an anderer Stelle, etwa für die gemeinsame Verteidigungsallianz, so dringend braucht – ein kaum aufzulösendes politisches Dilemma für den Kanzler.
Welche Asylverschärfungen sind noch geplant?
Der Koalitionsvertrag listet eine ganze Reihe weiterer Verschärfungen auf. Die Grenzkontrollen sollen so lange bestehen bleiben, bis die EU-Asylreform greift – also wohl mindestens weit bis ins Jahr 2026. Die Liste sicherer Drittstaaten soll zudem um Algerien, Tunesien, Indien und Marokko erweitert werden. Das soll Asylverfahren verkürzen und Abschiebungen erleichtern.
Freiwillige Aufnahmeprogramme, etwa für Geflüchtete aus Afghanistan, sollen gestrichen werden, die Zahl der Rückführungen insgesamt deutlich steigen. Ausreisepflichtige Gefährder und Täter schwerer Straftaten sollen auch nach Haftverbüssung in Ausreisearrest kommen können – bis zur «freiwilligen» Ausreise. Die Befugnisse der Bundespolizei sollen gestärkt und die Kapazitäten für die Abschiebehaft insgesamt deutlich erhöht werden.
Zudem soll die EU-Asylreform mit mehr Verfahren direkt an den Aussengrenzen der Europäischen Union beschleunigt und noch in diesem Jahr umgesetzt werden. Abschiebungen sollen künftig auch nach Afghanistan und Syrien erfolgen – zunächst allerdings nur bei Straftätern.
Was wird aus dem Familiennachzug nach Deutschland?
Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge dürfen zwar auch weiter Ehepartner und minderjährige Kinder zu sich holen – im Fall minderjähriger Geflüchteter auch Eltern. Dagegen werden die Regeln für Menschen mit eingeschränktem Schutzstatus, etwa Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien, deutlich verschärft. Hier soll der ohnehin auf 1000 Menschen pro Monat begrenzte Familiennachzug für zwei Jahre komplett ausgesetzt werden. Damit werden in diesen beiden Jahren also insgesamt rund 24’000 Menschen weniger nach Deutschland kommen.
Sind Asylverfahren in Drittstaaten vom Tisch?
Zwar sind die aus humanitären und juristischen Gründen hochumstrittenen Verfahren nicht ausdrücklich im Koalitionsvertrag vorgesehen. Eine unscheinbare Passage könnte sie letztlich dennoch ermöglichen. Die Regierung will demnach auf europäischer Ebene eine Initiative zur Streichung des sogenannten Verbindungselements im EU-Recht forcieren. Nach diesem Passus dürfen Flüchtlinge nur dann in einen Drittstaat geschickt werden, zu dem sie eine Verbindung haben.
So werden Asylverfahren nach dem Ruanda-Modell (Grossbritannien), bei dem Asylbewerber zur Abschreckung ausser Landes und in weit entfernte Regionen gebracht werden, bislang für EU-Länder in den meisten Fällen unterbunden. Bei einer Streichung des Verbindungselements könnte das Ruanda-Modell aber auch für EU-Länder, also auch für Deutschland, umsetzbar werden.
Wo werden Sozialleistungen gekürzt?
Vor allem ausreisepflichtigen Geflüchteten könnte dieser Schritt drohen. Bestehende Einschränkungen der Leistungen für Ausreisepflichtige sollten konsequent umgesetzt werden, heisst es im Koalitionsvertrag. Auch für Geflüchtete aus der Ukraine, die nach dem 1. April 2025 eingereist sind oder einreisen, wird sich einiges ändern. Sie sollen geringere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, sofern sie bedürftig sind. Bislang bekommen sie Bürgergeld oder Sozialhilfe.
Was gilt bei Einbürgerungen und doppelten Staatsbürgerschaften?
Union und SPD wollen mehrheitlich an der von der Ampelregierung beschlossenen Reform des Staatsbürgerschaftsrechts festhalten. Damit bleiben doppelte Staatsbürgerschaften und auch eine beschleunigte Einbürgerung nach fünf statt bislang acht Jahren möglich. Gestrichen werden soll dagegen die Möglichkeit, bereits nach drei Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft zu bekommen. Diese Schnelleinbürgerung war für Menschen vorgesehen, die sich besonders gut und schnell integrieren.
Im Koalitionsvertrag heisst es nun, «Integration muss weiterhin gefördert, aber intensiver als bisher eingefordert werden». Integrationskurse sollen demnach fortgesetzt und Kitas mehr einbezogen werden, um Integration von Anfang an zu fördern. Für gut integrierte geduldete Ausländer soll es mit einer Stichtagsregelung unter bestimmten Voraussetzungen einen neuen befristeten Aufenthaltstitel geben.
Abstand genommen haben Union und SPD nach Protesten von der zunächst diskutierten Idee, Menschen, die mehr als eine Staatsangehörigkeit haben, in bestimmten Fällen, etwa bei schweren Straftaten, die deutsche Staatsangehörigkeit wieder zu entziehen.
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