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Abgrenzung zur AfD
Merz entsetzt die eigene Partei

Ein Schatten seiner selbst? CDU-Chef Friedrich Merz. 

Sommerinterviews im deutschen Fernsehen plätschern in der Regel so bedeutungslos vor sich hin wie die Spree vor dem Bundestag. Es braucht schon einen Getriebenen wie Friedrich Merz, damit aus dem Dekor sommerlicher Entspannung unversehens Funken schlagen, die eine halbe Partei in Brand stecken.

Der Vorsitzende der deutschen Christdemokraten sagte am Sonntagabend im ZDF wie nebenbei, dass es auf kommunaler Ebene, vor allem in Ostdeutschland, durchaus zu Kooperationen von CDU und AfD kommen könne. Das Verbot der Zusammenarbeit, das seine Partei seit 2018 mehrmals bestätigt hat, beschränkte er auf «gesetzgebende Körperschaften»: auf Landtage also, den Bundestag, das Europäische Parlament sowie die entsprechenden Regierungen.

«Rechtsradikal bleibt rechtsradikal»

Kaum waren die Sätze in der Republik angekommen, hob ein Sturm der Empörung an – vor allem in Merz’ eigener Partei. Yvonne Magwas, Vizepräsidentin des Bundestags und Mitglied im CDU-Präsidium, schrieb auf Twitter: «Ob Ortschaftsrat oder Bundestag, rechtsradikal bleibt rechtsradikal. Für Christdemokraten sind Rechtsradikale IMMER Feind!»

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner schrieb: «Die CDU kann, will und wird nicht mit einer Partei zusammenarbeiten, deren Geschäftsmodell Hass, Spaltung und Ausgrenzung sind.» Norbert Röttgen, zweimal Merz’ Rivale um den Vorsitz, sagte: «Jeder, der das ändern will, muss dafür auf einem Bundesparteitag der CDU eine Mehrheit finden.»

Linnemann muss hinter Merz aufräumen

Auf Twitter konnte man am Abend im Minutentakt zusehen, wie das Entsetzen in der CDU um sich griff. Gleichzeitig jubelte die AfD: «Nun fallen erste Steine aus der schwarz-grünen Brandmauer», schrieb Tino Chrupalla, deren Chef. «In Ländern und Bund werden wir die Mauern gemeinsam niederreissen.»

Um Mitternacht griff endlich Carsten Linnemann ein, neuer Generalsekretär der CDU und Merz’ enger Vertrauter. Das Kooperationsverbot gelte weiterhin, stellte er klar, auf allen Ebenen, der Vorsitzende habe nur darauf aufmerksam machen wollen, dass es in manchen Gemeinden schwer umzusetzen sei.

In Hinblick auf die Kanzlerkandidatur 2025 Rivalen: Merz (rechts) mit CSU-Chef Markus Söder.

Als am Montagmorgen schliesslich auch CSU-Chef Markus Söder Merz in gleicher Weise öffentlich korrigierte, meldete sich der Parteichef selbst nochmals und nahm seine Worte vom Vortag zurück – wie üblich, nicht ohne zu behaupten, er habe nie etwas anderes gesagt. Da war das Unheil längst angerichtet.

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Dass Merz mit Absicht Steine aus der Brandmauer nach rechts herausreissen wollte, wie linke Politiker und ausländische Stimmen warnten, scheint den meisten Kommentatoren wenig wahrscheinlich. Kommunikativ hingegen waren seine Äusserungen eine Katastrophe.

Dass es auf lokaler Ebene, gerade im Osten, wo die AfD teilweise ein Drittel der Stimmen oder mehr erhält, faktisch nicht möglich ist, stets an der Partei vorbeizuregieren, ist seit längerem bekannt. Stammt der gewählte Landrat gar selbst von der AfD, wie neuerdings im thüringischen Sonneberg, erst recht. Wenn es um Kitas und Fussgängerstreifen geht, ist die SPD übrigens meist in derselben Lage wie die CDU.

Das Gefühl wächst: Merz kann es einfach nicht

Aber warum, um Himmels willen, so fragt man sich in der Partei, glaubte Merz nun, solches Mittun vorab pauschal entschuldigen zu müssen – öffentlich und ohne Not? Statt schweigend zuzulassen, dass es vor Ort manchmal nicht anders geht, normalisiere er so eine Praxis, die den eigenen Grundsätzen widerspreche.

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In der CDU jedenfalls wachsen die Zweifel an ihrem Chef, dem möglichen künftigen Kanzlerkandidaten, gerade mächtig an. Zumal der neuste Lapsus keineswegs allein steht. Erst erklärte der 67-Jährige die Grünen, mit denen seine Partei in sechs Bundesländern regiert, zum politischen «Hauptgegner», dann taufte er seine stolze CDU um in «Alternative mit Substanz».

Auf gefährlichem Terrain

Merz hadert offensichtlich schwer damit, dass seine Partei vom grassierenden Unmut über die Berliner Ampelregierung weniger profitiert als die AfD, die in den Umfragen von Rekord zu Rekord eilt. Gemäss den Demoskopen hat das auch mit Merz zu tun, der mit seinem Hin und Her weder Konservative noch die Mitte zufriedenstellt und als Politiker zu viele Wählerinnen und Wähler abschreckt.

Auf den Spuren der AfD hat die CDU zuletzt auch in der Asylpolitik gefährliches Terrain betreten. Thorsten Frei, Merz’ rechte Hand im Bundestag, will das individuelle Recht auf Asyl abschaffen und durch Kontingente ersetzen – ein Vorschlag, der nicht nur vielfach gegen geltendes Recht verstösst, sondern politisch nicht umsetzbar ist. Im ZDF sagte Merz nun, er halte Freis Vorschlag für eine «sehr gute, erwägenswerte Idee».